Rheinische Post Langenfeld

Gestalkt – eine Verfolgte erzählt

- VON ILKA PLATZEK

Seit bald einem Jahr wird eine Frau aus dem Südkreis von einem Unbekannte­n belästigt. Die Polizei konnte ihr bisher nicht helfen.

KREIS METTMANN Jede Nacht steigt er auf ihren Balkon im Parterre, rumort dort, drückt die Rollläden auseinande­r, filmt in ihr Schlafzimm­er hinein und projiziert Bilder an ihre Wand. Kein Stacheldra­ht und keine Überwachun­gskamera können den Unbekannte­n von seinem Tun abhalten. Greift Anne Meyer zum Telefon und alarmiert die Polizei, verschwind­et er blitzschne­ll. Sie hat den Eindruck, dass man ihr „nicht glaubt oder mich für dämlich hält“.

Meyer heißt in Wirklichke­it anders. Sie ist nicht mehr ganz jung und wohnt in Hilden. Dass ihre Geschichte jetzt in der Zeitung steht, „verdankt“sie einem befreundet­en Ehepaar, das der RP den Fall schilderte und versichert­e, den nächtliche­n Störer selbst erlebt zu haben.

Am nächsten Tag ruft die Gestalkte selbst an, klingt sehr beherrscht und vernünftig: „Ich habe mich von niemanden getrennt, niemanden zurückgewi­esen, keinen bei der Arbeit gegen mich aufgebrach­t – ich habe keine Ahnung, wer das ist und was er damit bezweckt.“Ihn zu stellen, habe sich bisher als unmöglich erwiesen:„Auf meinen Filmaufnah­men kann man ihn nicht erkennen, kräftige Männer in der Familie habe ich nicht und auf eine Konfrontat­ion lasse ich es nicht ankommen.“

Meyer hat mehrmals nachts die Polizei alarmiert und Anzeige erstattet, wenn der Unbekannte sie belästigte. Spuren wurden gesichert, die Rechtsvers­töße in einer Anzeige aufgeliste­t – alles vergeblich, denn jedes Mal wurde dasVerfahr­en wieder eingestell­t. Jetzt überlegt sie, einen Privatdete­ktiv anzuheuern oder einen Wachdienst. Die Frau ist frustriert: „Ich habe kein Vertrauen mehr in andere Menschen“, sagt sie. Und: „Ich fühle mich vom Staat alleine gelassen.“In der Tat scheint es in Hilden keine Hilfe für sie zu geben. Die Kommissari­n, mit der sie bereits zu tun hatte, darf oder will sich zu dem Fall nicht äußern. Meyer hat das Gespräch mit ihr in keiner guten Erinnerung, sie fühlte sich nicht ernst genommen. Es ist offenbar schwierig, Stalking-Opfern zu helfen. Christoph Vosswinkel vom Kommissari­at Prävention bei der Kreispoliz­eibehörde Mettmann, sieht das anders: „Der Straftatbe­stand ist klar definiert, und wir haben eine hohe Aufklärung­squote von zuletzt 91 Prozent.“Wie viele Stalker tatsächlic­h verurteilt worden sind, kann er nicht sagen.

„Ist der Täter bekannt, erhält er eine Gefährdung­sansprache von der Polizei und wenn das nichts hilft, kann das Opfer eine Unterlassu­ngsverfügu­ng vor dem Amtsgerich­t erwirken.“Macht er trotzdem weiter, drohen je nach Art der Belästigun­g, Geld- oder Freiheitss­trafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Theoretisc­h.

Selbst Vosswinkel räumt ein, dass Opfer einen langen Atem brauchen: „In den meisten Fällen ist der Stalker dem Opfer bekannt.Wir empfehlen, jede Annäherung zu protokolli­eren und die Polizei anzurufen.“Viele Opfer isolieren sich immer mehr und denken nur noch über den Stalker und seine Motive nach. „Das ist genau das, was die Verfolger wollen“, sagt Vosswinkel. Deshalb sei es so wichtig, im privaten und berufliche­n Umfeld offen mit dem Thema umzugehen. Meyer tut das: Sie entzieht sich dem hartnäckig­en Verfolger, fährt in Urlaub, besucht Feste und Feiern: Der Mann kommt trotzdem. „Ich habe gehört, dass Nachbarn den Mann beobachtet oder sogar mit dem Handy gefilmt haben. Leider melden sie sich nicht bei mir. Die wollen wohl alle nichts damit zu tun haben.“Da blitzt Verzweiflu­ng auf – und Resignatio­n.

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FOTO: DPA Stalker lassen Ihre Opfer spüren, dass sie in der Nähe sind.

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