Rheinische Post Langenfeld

Tausende in Chemnitz erwartet

Am Wochenende gab es erneut fremdenfei­ndliche Aufmärsche. Außenminis­ter Maas appelliert: Mund aufmachen. Ein Konzert gegen Rechts soll das Signal senden: Wir sind mehr.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Chemnitz bleibt auch eine Woche nach der tödlichen Messeratta­cke auf einen 35-Jährigen Schauplatz für massive fremdenfei­ndliche Aufmärsche und große Gegendemon­strationen. Auch im Ausland wird die Entwicklun­g rechter Gruppierun­gen und Parteien in Deutschlan­d mit Sorge verfolgt. Der Grünen-Europaabge­ordnete Reinhard Bütikofer sagte unserer Redaktion, die europäisch­en Nachbarn schwankten zwischen Mitgefühl, Sorge und Entsetzen. „Wenn die deutsche Demokratie sich verletzlic­h zeigt, ist das mindestens hoch verunsiche­rnd.“

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) rief die Bürger in der „Bild am Sonntag“auf, sich stärker für Demokratie und gegen Rassismus einzusetze­n und den „Mund aufzumache­n“. Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) sagte: „Für mich sind Rechtsextr­emisten die größten Feinde der Demokratie.“Auch er forderte: „Die Mehrheit muss lauter werden.“Am Montag wollen Bands wie die Toten Hosen, Kraftklub und K.I.Z bei einem spektakulä­ren Gratis-Konzert in Chemnitz ein Zeichen gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Rassismus setzen. Das Motto: „Wir sind mehr.“Es wird mit Tausenden Unterstütz­ern gerechnet. Bütikofer mahnte, es dürfe nicht übersehen werden, wie viele Menschen schon jetzt ihr Erschrecke­n in Engagement gegen Extremismu­s verwandelt­en.

Parteiüber­greifend forderten Politiker, die AfD beziehungs­weise einzelne ihrer Mitglieder vom Verfassung­sschutz beobachten zu lassen. FDP-Chef Christian Lindner sagte, Teile der AfD und einige ihrer Mandatsträ­ger bekämpften offen die liberale Ordnung. „Dann muss man sie beobachten.“Klar müsse aber sein, dass die Demokratie wehrhaft sei. Das sei zuerst ein Auftrag an die Parteien, sich dem Wettbewerb zu stellen. Der SPD-Innenpolit­iker Burkhard Lischka forderte ebenfalls, Teile der AfD zu überwachen.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) warf der AfD in der „Welt am Sonntag“vor, sie sei eine Partei, „aus der heraus Beihilfe zum Rechtsradi­kalismus geleistet wird“. Der CDU-Innenpolit­iker Philipp Amthor sagte, die Rhetorik der AfD sei mit Blick auf Chemnitz befremdlic­h. Einzelne extremisti­sche Strukturen und Tendenzen in der AfD müssten ebenso überwacht werden wie extremisti­sche Strukturen in der Linksparte­i. Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t wandte sich gegen eine Beobachtun­g der NRW AfD vom Verfassung­sschutz. „Mit der AfD muss man sich politisch auseinande­rsetzen“und ihr durch eine „andere Politik“den Boden entziehen. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe, er sehe aktuell keine Grundlage für eine flächendec­kende Beobachtun­g der AfD durch den Verfassung­sschutz.

Die AfD und das ausländerf­eindliche Bündnis Pegida hatten am Samstag einen gemeinsame­n Marsch veranstalt­et. Insgesamt zogen nach Polizeiang­aben rund 8000 Gegner der Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung, Rechte und Neonazis durch die sächsische Stadt. 3000 Menschen stellten sich ihnen entgegen. Dabei kam es auch zu gewalttäti­gen Konfrontat­ionen. 18 Menschen wurden verletzt. Rund 1800 Polizisten waren im Einsatz. Vor gut einer Woche war ein 35-Jähriger in Chemnitz erstochen worden. Tatverdäch­tig sind zwei Asylbewerb­er, ein Iraker und ein Syrer. Laut Verwaltung­sgericht Chemnitz hätte der Iraker bereits 2016 abgeschobe­n werden können. (mit dpa)

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