11.000 diskutierten über digitale Zukunft
Das erste Open-Air-Medienfestival am Rhein war ein Erfolg. Campfire will 2019 wiederkommen.
DÜSSELDORF Ruhig, sachlich, konstruktiv und stets mit einem zuversichtlichen Blick nach vorne. Dass sich auch so in diesem Land diskutieren lässt, zeigte das größte deutsche Open-Air-Festival für Medien und die digitale Gesellschaft, das von Freitag bis Sonntag mehr als 11.000 Besucher an das Düsseldorfer Rheinufer holte.
In 15 Zelten und bei mehr als 150 Programmpunkten diskutierten Bürger mit Medienschaffenden über Trends, Technologien und die Zukunft der digitalen Gesellschaft. Eingeladen zum „Campfire-Festival“hatten das Recherchezentrum Correctiv, die Rheinische Post und die Stadt Düsseldorf. Unterstützt wurde die riesige Zeltfest vom Unternehmen Sipgate.
Eher selten in der Öffentlichkeit zu sehen, räumte Facebook-Manager Guido Bülow in Düsseldorf ein, dass das soziale Netzwerk beim Thema Falschnachrichten vor der US-Präsidentschaftswahl und bei Hassreden im Netz nicht immer „genau hingeschaut habe, was auf unserer Plattform geteilt wird“.
In einem Vortrag erklärte der Medienrechtler Elmar Schuhmacher, warum Journalisten Demonstranten filmen dürfen, wie unlängst in Chemnitz geschehen und Correctiv-Reporter Jonathan Sachse stellte eine beeindruckende Studie zur kommerziellen Bedeutung von Youtube vor. Der Internet-Kanal entwickelt sich immer mehr zum wichtigsten Medium der Unter-25-Jährigen. Ob es eine Vertrauenskrise der Medien gibt, besprachen Julia Bönisch (Chefredaktion Süddeutsche Zeitung), Marion Horn (Chefredakteurin „Bild am Sonntag“), Gudrun Engel (WDR, Tagesschau) und RP-Reporterin Kristina Dunz. Ihr Fazit: Nicht, wenn sich der Journalismus auf sein Handwerk besinnt. Fakten prüfen, sorgfältig recherchieren, die Gegenseite hören. Berichten, was ist.
Das Zirkuszelt, das die Rheinische Post zu einer Diskussionsarena in Lagerfeuer-Atmosphäre umgebaut hatte, war bei vielen Runden bis auf den letzten Platz gefüllt. Etwa, als der frühere Chefredakteur des Magazins „Max“und heutige Buchautor Hajo Schumacher sowie Ex-“Bild“-Chefredakteur Udo Röbel ihre größten Pleiten beichteten. Röbel war der Reporter, der beim Gladbecker Geisel-Drama in das Auto des Entführers stieg. „Totales Medienversagen“, sagte er nun rückblickend. Außerdem: IN einer Veranstaltung ging es um den Einzug der künstlichen Intelligenz in Medienhäusern (dürfen Maschinen Nachrichten schreiben?), die Frage, wie nah der Lokaljournalismus in die kleinsten örtlichen Einheiten vordringen sollte (möglichst nah!) und, ob Kinder schon früh programmieren lernen sollten (Ja!). Politische Neuigkeiten gab es auch: Auf der Correctiv-Bühne erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), dass er das umstrittene Polizeigesetz des Landes korrigieren werde und der Begriff der „drohenden Gefahr“, bei dem Polizisten künftig schon aktiv werden dürfen, ersetzt werden soll.
Weniger umstritten die Ankündigung des Digital-Chefs von Borussia Mönchengladbach, Andreas Cüppers. Er will Fans ermöglichen, Bratwurst und Bier per App vorbestellen zu können, damit es in der Halbzeitpause nicht so eng wird. Und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) kündigte in seinem Vortrag an, die Zellproduktion für E-Auto-Batterien in NRW möglich machen zu wollen.
Nachdenkliches kam von dem türkischen Journalisten Can Dündar, der sich wegen seiner kritischen Arbeit den Unmut des türkischen Präsidenten Erdogan und seiner Partei AKP zugezogen hat, eine Rückkehr in die Türkei bisher vermeidet und mit sechs Personenschützern zum Festival gekommen war. „Wie wertvoll eine Rechtsordnung ist, können Sie verstehen, wenn Sie aus einem Land kommen, in dem sie zerstört wurde“, sagte Dündar.
Fazit: Das „“Campfire“ist ein Festival für all jene, die neugierig und zuversichtlich in die digitale Zukunft blicken und sie mitgestalten wollen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Correctiv-Gründer und Veranstalter David Schraven. „Leute, die sonst selten miteinander zu tun haben, etwa Journalisten, IT-Experten und normale Leser, sind miteinander ins Gespräch gekommen.“Der Journalismus habe beim Festival aus seiner Blase gefunden. Und auch ein neues Projekt ist entstanden: „Wir werden eine digitale Ausbildungsstätte gründen, um Programmierer auszubilden“, kündigte Schraven an. 2019 soll das Campfire auf jeden Fall wieder stattfinden - „gerne hier in Düsseldorf“.
Berichte, Videos und Fotos unter: campfire.rp-online.de