Die berühmteste Spürnase der Welt
Das Leben der deutschen Schäferhündin „Sombra“ist in Gefahr. Die kolumbianische Drogenmafia hat eine Prämie von 55.000 Euro für ihren Tod ausgelobt. Ein Treffen mit dem berühmten Polizeihund am Flughafen von Bogota.
BOGOTA „Sombra“lässt sich nicht beirren. Mit einem gezielten Sprung bringt sich die Schäferhündin mit deutschen Wurzeln in die beste Ausgangsposition. Ihr Nase bohrt sich in das blaue Gepäck, doch nach ein paar Sekunden ist klar: Entwarnung. Kein Kokain im Koffer. Weiter geht der Spaziergang entlang der Gepäckstücke, die darauf warten, in den Flieger gepackt zu werden. „Erst gestern hat sie wieder angeschlagen“, berichtet Oberst Wilson Ramírez (41). „Eine alleinerziehende Mutter von einer fünfjährigen Tochter“, sagt der Kommandant der „Antinarcóticos“, der Drogenfahnder, am Flughafen in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. „Es gibt leider immer noch viele Menschen, meist mit persönlichen und wirtschaftlichen Problemen, die gezielt von der Drogenmafia angeworben werden. Sie suchen sich die, die scheinbar schnell verdientes Geld brauchen.“
„Sombra“, zu deutsch Schatten, hat ein mattes, braun-schwarzes Fell und ein ausgeprägt ruhiges Gemüt. Sie lässt sich streicheln, verliert aber die Umgebung nie aus dem Blick. Nur wenn in der Hektik des Flughafengeschehens mal ein anderer Hund in die Nähe kommt, lässt „Sombra“auch mal aus der Ruhe bringen. Sonst hört das Tier auf die Kommandos, weicht ihren Begleitern nicht von der Seite. Sombra ist inzwischen weit über die Landesgrenzen Kolumbiens bekannt. Gleich fünf Fernsehteams haben sich an diesem Tag in Bogota angesagt, um die berühmteste Spürnase der kolumbianischen Anti-Drogenfahndung zu besuchen. Weil die Hündin an Containerhäfen und in LKW immer große Mengen Kokain aufspürte, wurde „Sombra“zu einem Problem für die kolumbianische Drogenmafia. Dairo Antonio Úsuga alias „Otoniel“Chef des „Clan del Golfo“, eines der berüchtigtsten und brutalsten Kartelle, rief sogar zu ihrer Ermordung auf. Umgerechnet etwa 55.000 Euro Kopfgeld sollte derjenige kassieren, der „Sombra“beseitige, stand auf eigens verteilten Flugblättern zu lesen. „Nicht nur Sombra ist bedroht worden, auch andere Polizeihunde sind Zielscheibe von Drohungen gewesen“, sagt Hundeausbilder Jeison Cardona. Sombras Ruhm beruht aber auf einem besonders großen Fund: 2,9 Tonnen Kokain versteckt in einem Container für Bannen, der nach Belgien sollte. Kolumbiens Polizei reagierte und „versetzte“„Sombra“nach Bogota. Hier am neuen Flughafen „El Dorado“kann sie ein vergleichsweise ruhiges Leben führen und sich frei bewegen, obwohl sie bei den Patrouillen immer wieder Menschen erkennen und um eine Foto mit „Sombra“bitten. Nach getaner Arbeit springt sie in den Kofferraum eines weißen Pick-Ups und ebenso schnell wieder herunter. Doch Sombra ist hier nie allein unterwegs.
„Sombra ist jetzt sechseinhalb Jahre alt, mit acht Jahren gehen die Hunde in der Regel in den Ruhestand, das hängt von den Umständen ab. Der Tierarzt untersucht sie regelmäßig und gibt am Ende eines Lebensjahres grünes Licht, ob ein Tier weiterhin im Einsatz bleiben darf“, sagt Oberst Ramirez.
Ob der Ruhm durch die internationale Berichterstattung ein Problem oder ein Vorteil ist, will Ramirez so nicht direkt beantworten. Aber er weiß, dass es viele potentielle Schmuggler abhält, wenn diese wissen, dass eine besonders erfolgreiche Spürnase in Bogota die Gepäckstücke durchsucht. Allein an den Flughäfen von Medellin und Bogota, soll „Sombra“rund 250 Lieferungen aufgespürt haben. Für die Mafia sind das bisweilen Millionenschäden, was die Wut der kriminellen Banden erklärt.
In den letzten Jahren ist die Kokainproduktion in Kolumbien noch einmal gestiegen. Das liegt einerseits daran, dass den Koka-Bauern Entschädigungszahlungen in Aussicht gestellt wurden. Prompt vergrößerten sich die Anbauflächen, damit auch die Entschädigungszahlungen höher werden. Zum anderen ist die Bekämpfung der Pflanzen schwierig, ein Verzicht auf das aus Umweltschutzgründen umstrittene Glyphosat hat der Koka-Produktion eher genutzt. Und Helfer, die umweltfreundlich die Pflanzen mit der Hand ausreißen sollen, werden bisweilen massiv bedroht, einige sogar ermordet
„Das ist alles wie eine Kette zu betrachten“, sagt Oberst Ramirez. Steigt die Kokainproduktion, dann muss das Produkt auch auf die Märkte gebracht werden. Deswegen durchsucht „Sombra“gezielt auch jene Fracht- und Passagierflugzeuge, deren Zielflughäfen in den Konsumentenländern liegen. Geht ein Flieger nach Miami, Los Angeles, Madrid oder Frankfurt, dann werden „Sombra“oder andere aus der Reihe der insgesamt landesweit 1300 Tiere zur Drogenfahndung eingesetzten Tiere auf Patrouille geschickt.
Sombra und ihre besondere Nase helfen mit, der Drogenmafia die Stirn zu bieten. Ihre Ausbildung sei professional gewesen. Entgegen von Gerüchten, die immer wieder auftauchten, würden Drogenhunde nicht selbst drogenabhängig gemacht, damit sie gezielt nach Marihuana oder Kokain suchen. „Ein Tag hier am Flughafen El Dorado ist nie wie der andere“, sagt Ramirez. An einem Tag wird „Sombra“zu den Frachtflugzeugen geschickt, am nächsten Tag riecht sie an den 500 Gepäckstücken eines Fliegers nach Mexiko-Stadt. „Wir tun das, um eine Monotonie zu vermeiden und die Aufmerksamkeit hochzuhalten. „Sombra“ist in allen Bereichen des Flughafens im Einsatz.“Und soll noch mindestens 18 weitere Monate der Schrecken der Drogenmafia bleiben