Fanprojekt: Der „Familie“fehlt Personal
LEVERKUSEN Die Bundesliga ist in die neue Saison gestartet. Doch nicht alle werden diesmal dabei sein. Wie Stefan Thomé. Und das, obwohl er immer von Berufs wegen bei jedem Spiel war. Aktuell ist der 55-jährige Diplom-Sozialpädagoge und Leiter des Fanprojekts Leverkusen wegen Burn-outs krankgeschrieben.
Seit seinem achten Lebensjahr ist Thomé in Leverkusen zu Hause, die ersten Jahre verbrachte er in der Eifel. Nach einer Berufsausbildung zum Maschinenschlosser bestand der 26-Jährige das Fachabitur, studierte Sozialpädagogik, absolvierte sein Anerkennungsjahr bei der Bayer AG und kam auf diesem Weg zum Leverkusener Fanprojekt. Seit 1996 ist er dort in sozialpädagogische Arbeit eingebunden. Zusammen mit seiner Kollegin Daniela Frühling betreut er beispielsweise Fans bei Auswärtsspielen, Fußballgruppen für Jungen und Mädchen oder hat spezielle Angebote für Jugendliche unter 18 Jahren. „Oft hören wir einfach nur zu“, sagt Thomé. „Es ist traurig. Aber dass jemand einfach nur da ist und zuhört, kennen viele aus ihren Herkunftsfamilien nicht.“
Das sei ein Merkmal der heutigen Zeit, vermutet der hauptamtliche Fan-Betreuer. Und so sei die Neigung ausgeprägt, Emotionen und Gefühle in der Gemeinschaft auszuleben, die es sonst nur in einer funktionierenden Familie gebe, erläutert Thomé und ergänzt: „Das funktioniert heute kaum noch. Wir sind ein bisschen wie Familienersatz.“Gerade in Leverkusen, lobt er, seien übersichtliches Miteinander und familiärer Umgang noch möglich.
Für Herbst war ursprünglich eine Fahrt geplant. Die musste wegen der personellen Situation auf 2019 verschoben werden. Denn die Arbeit ist seit Jahren immer mehr geworden und kaum noch von zwei Mitarbeitern zu schaffen. Praktikant Riccardo Bitonti (26) könnte einspringen, sobald er im nächsten Frühjahr sein Sozialarbeit-Studium beendet hat. Thomé würde dem 26-Jährigen gerne eine feste Stelle anbieten. Doch dafür fehlt das Geld. Thomé: „Verglichen mit unserer Arbeit nehmen wir in der Bundesliga den vorletzten Platz ein. Selbst so mancher Regionalliga-Verein verfügt über drei hauptamtliche Mitarbeiter für gerade einmal 200 Fans.“
Etwa zehnmal so viele Fans würden in Leverkusen betreut. Gewürdigt werde das aber nicht. Weder vom Land, noch von der Stadt, dem Deutschen Fußballbund (DFB) oder der Deutscher Fußball Liga (DFL), die das Fanprojekt gemeinsam finanzieren.
Auch Fans wissen, dass dringend etwas geschehen muss. Sie spannten kürzlich ein Banner im Stadion mit der Forderung „Fanprojekt Leverkusen fördern“. Sie gründeten den Förderverein „Fanprojekt Leverkusen“, gewannen 80 Mitglieder, sammelten Spenden sowie Mitgliedsbeiträge. Das sorgt für Entlastung, reicht aber bei weitem nicht.
Wie es mit dem Fanprojekt weiter geht, ist offen.