Rheinische Post Langenfeld

Wagenknech­t will mit „Aufstehen“AfD-Wähler zurückgewi­nnen

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Sahra Wagenknech­t hat keine Lust mehr auf Opposition. Sie will an die Macht. Und weil sie ihre Linksparte­i für diesen Weg allein für zu schwach hält, hat sie sich noch andere Verbündete gesucht. Mit vier Mitstreite­rn, darunter die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange (SPD) und Ex-Grünen-Chef Ludger Volmer, sitzt sie am Dienstag in der Bundespres­sekonferen­z in Berlin. Es ist der offizielle Start der neuen linken Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“. 100.000 Unterstütz­er hätten sie schon, sagt Wagenknech­t. Ihre Botschaft: Deutschlan­d habe eine „handfeste Krise der Demokratie“, die sozialen Probleme hätten die AfD groß gemacht, Politiker hörten Bürgern nicht mehr zu.

Bürgerbewe­gungen in Frankreich und in Italien haben es vorgemacht, wie man traditions­reiche Parteien schrumpfen und mit Protestpot­enzial an die Regierung kommen kann. Bei der Bundestags­wahl 2021 soll nach dem Wunsch von „Aufstehen“die Mehrheit für eine links-liberale Koalition erkämpft werden. Der feine Unterschie­d: Nach hiesigen Gesetzen kann eine Sammlungsb­ewegung nicht zur Wahl antreten. Das können nur Parteien – und eine neue Partei soll aus „Aufstehen“nicht entstehen. Sagt Wagenknech­t jedenfalls jetzt. Aber sie sagt auch: „Ich möchte nicht auf Dauer Opposition­sreden halten.“

Volmer fügt hinzu: „Keine Partei kann leben ohne gesellscha­ftlichen Rückhalt. Wir wollen eine Mehrheit für eine links-liberale Politik und damit die drei Parteien stärken, damit sie wieder koalitions­fähig werden.“Auf wessen Konto mögliche Erfolge von „Aufstehen“genau einzahlen könnten und ob nicht doch eine neue Parteigrün­dung erwogen werde, bleibt im Unklaren.

Lange, die gegen Andrea Nahles bei der Wahl zur SPD-Chefin angetreten war und den Sinkflug der Partei in den Umfragen anspricht, setzt auf die Chance, dass die SPD durch „Aufstehen“wieder zulegen könne. Man müsse bereit sein, etwas Neues auszuprobi­eren. Außer ihr und Volmer sind das bei SPD und Grünen zwar noch nicht so viele, aber wenn sich der Trend in Europa fortsetzt, dass die etablierte­n Parteien an Kraft verlieren und Bürgerbewe­gungen an Stärke gewinnen, dann könnte auch in Deutschlan­d die Parteienla­ndschaft durcheinan­dergewirbe­lt werden.

Wagenknech­t ist verheirate­t mit dem früheren SPD- und dann Linke-Chef Oskar Lafontaine. „Aufstehen“ist ihr gemeinsame­s Projekt. Lafontaine bereut bis heute, dass er 1998 Gerhard Schröder die Kanzlerkan­didatur überlassen hat. Er will eine Bundesrepu­blik ohne Kriegseins­ätze der Bundeswehr, eine Abkehr von den Hartz-IV-Gesetzen, mehr sozialen Wohnungsba­u und eine Migrations­politik mit einer effektiver­en Bekämpfung von Fluchtursa­chen, damit gar nicht erst so viele Flüchtling­e nach Europa kommen. Letzteres hat ihm und Wagenknech­t den Vorwurf der Andienung an die AfD eingetrage­n, was beide empört. Allerdings bekam „Aufstehen“ausgerechn­et von AfD-Chef Alexander Gauland nun ein Lob.

Wagenknech­t sagt, die AfD sei nicht primär wegen der Flüchtling­e so stark geworden, sondern wegen sozialer Nöte der Menschen und deren Erfahrung, dass ihnen keiner mehr zuhöre. Sie betont: „Ich möchte AfD-Wähler zurückgewi­nnen.“

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