„Wir werden neue ethische Debatten führen“
Der Unionsfraktionschef zu Gewissensentscheidungen bei der Organspende und Bluttests für Behinderungen.
Herr Kauder, Gesundheitsminister Spahn ist für eine grundsätzliche Organspendenregelung, es sei denn die Bürger legen Widerspruch ein. Wie stehen Sie dazu?
Wir werden in der Unionsfraktion und sicher auch schon bald im Bundestag darüber diskutieren, wenngleich wir erst vor einigen Jahren die sogenannte Entscheidungslösung verabschiedet haben. Ihr Kern: Organe können nur dann entnommen werden, wenn der Spender etwa auf einem Organspendeausweis zuvor eingewilligt hat.
Wer wird die Debatte anstoßen?
Ich rechne damit, dass eine Gruppe von Abgeordneten quer durch die Fraktionen eine Initiative zur Einführung einer Widerspruchslösung starten wird. Welchem Lösungsmodell die Abgeordneten folgen wollen, ist eine klassische Gewissensentscheidung. Elementare Werte müssen abgewogen werden. Die Widerspruchslösung könnte zwar unter Umständen die Zahl der Spenden erhöhen, würde aber auch einen gravierenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Spender bedeuten. Dabei wird auch eine Rolle spielen, ob auf der Basis der Entscheidungslösung die Möglichkeiten wirklich ausgereizt sind, die Zahl der Organspenden zu steigern. Das wäre gerade für mich, der immer für die Entscheidungslösung geworben hat, ein wichtiger Punkt.
Die Zahl der Organspenden ist auf einem Tiefstand.
Ja, das stimmt leider. Klar ist: Organspenden können viele Leben retten und sehr viel Leid lindern. Ich kann verstehen, wenn Jens Spahn vor diesem Hintergrund die Debatte erneut eröffnet. Wir hätten uns in der Fraktion auch schon deshalb mit der Frage beschäftigt, weil sich der für Gesundheit zuständige Fraktionsvizevorsitzende Nüßlein bereits vor dem Minister für die Widerspruchslösung ausgesprochen hat. Wir müssen aber in den nächsten Monaten auch noch eine Debatte zu einer anderen medizinisch-ethischen Problematik führen.
Welche?
Es gibt bereits eine Verständigung von Abgeordneten über die Fraktionsgrenzen hinweg, dass wir schon bald über die Problematik der sogenannten Bluttests für Schwangere sprechen, mit denen relativ leicht Trisomien wie beispielsweise das Down-Syndrom beim ungeborenen Kind festgestellt werden können. Konkret steht die Frage an, ob diese Diagnosemöglichkeit von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden sollte. Weitere ähnliche Tests zur Erkennung von Erbkrankheiten sind in Vorbereitung. Auch diese Tests werfen erhebliche ethische Fragen auf, bis hin zur Frage, wie die Gesellschaft zu Leben mit Behinderung steht. Das alles muss durchleuchtet werden.
Sollten die Krankenkassen zahlen?
Hier bin ich noch nicht abschließend festgelegt. Wir müssen intensiv darüber sprechen, wie die Information der Eltern verbessert werden kann, die sich für einen solchen Test entscheiden wollen.
Spüren Sie durch die mögliche Kandidatur von Herrn Brinkhaus für Ihr Amt Vertrauensverlust?
Ich erhalte viel Rückhalt aus der Fraktion.