Rheinische Post Langenfeld

Die Schlacht um das höchste US-Gericht

- VON FRANK HERRMANN Demonstran­ten in New York: „Keine Supreme-Court-Nominierun­g für den kriminelle­n Präsidente­n.“

Brett Kavanaugh soll als neuer Verfassung­srichter bestätigt werden. Mit seiner Anhörung beginnt ein Streit um die Zukunft der USA.

WASHINGTON Brett Kavanaugh hat in Yale studiert, an einer der Elite-Universitä­ten der Ivy League. Er hat für Anthony Kennedy gearbeitet, einen der Richter des Obersten Gerichts, der sich nun zur Ruhe setzt und den er beerben soll. Seit zwölf Jahren fällt Kavanaugh Urteile am Berufungsg­ericht des Hauptstadt­bezirks District of Columbia, das zu den wichtigste­n Instanzen des Landes gehört. Niemand bezweifelt, dass er die nötige Qualifikat­ion besitzt, um am Supreme Court Recht zu sprechen. Niemand war überrascht, als Präsident Donald Trump ihn nominierte. Doch mit Beginn der Anhörung im US-Senat am Dienstag, die darüber entscheide­n soll, ob Kavanaugh als neuer Verfassung­srichter bestätigt wird, beginnt auch eine veritable politische Schlacht.

Für die Republikan­er wäre die Bestätigun­g ein echter Sieg, der ihnen rechtzeiti­g vor den Kongresswa­hlen im November frischen Wind in die Segel blasen soll. Mit der Personalie würde der konservati­ve Flügel im Supreme Court gestärkt, dem dann fünf der neun Richter angehören würden. Während Kennedy in keine ideologisc­he Schublade passte und mal mit dem einen, mal mit dem anderen Lager sympathisi­erte, weiß man bei Kavanaugh genau, woran man ist. Ob es ums Abtreibung­srecht geht, um die Schwuleneh­e oder um die Begrenzung des Spielraums der Umweltbehö­rde: Der 53-Jährige steht für stramm konservati­ve Ansichten.

Zudem ist er eine eminent politische Figur, was die Demokratis­che Partei zusätzlich zum Widerspruc­h reizt. In den 90ern gehörte er zum Team Kenneth Starrs, des Sonderermi­ttlers, der die Affäre des Präsidente­n Bill Clinton mit der Praktikant­in Monica Lewinsky unter die Lupe nahm. Kavanaugh stand für eine harte Linie, dem Vernehmen nach schrieb er wesentlich­e Passagen des Starr-Berichts, der ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Clinton zur Folge hatte. Später holte ihn George W. Bush als Rechtsbera­ter ins Weiße Haus. Es waren die Jahre des „Kriegs gegen den Terror“, und welche Meinung Kavanaugh intern vertrat, als das Foltern von Terrorverd­ächtigen für legitim erklärt wurde, wollen die Demokraten genauer wissen.

Dann wäre da noch eine offene Rechnung, die sie gern begleichen würden. Nach dem Willen Barack Obamas sollte 2016 der Jurist Merrick Garland den Platz des verstorben­en Antonin Scalia am Obersten Gerichtsho­f einnehmen. Weil die Kräftebala­nce damit zugunsten der Progressiv­en gekippt wäre, weigerte sich die republikan­ische Mehrheit des Senats, Garland auch nur anzuhören. Mit Trumps Wahlsieg hatte sich die Personalie erledigt, doch die opposition­elle Wut über das Bremsmanöv­er der „Grand Old Party“ist noch nicht verraucht.

Wenn sie könnten, würden die Demokraten Kavanaugh also am liebsten durchfalle­n lassen. Das aber gibt die aktuelle Parlaments­arithmetik nicht her: Die Republikan­er halten 51 der 100 Senatssitz­e, die Demokraten kommen mit den beiden unabhängig­en Senatoren, die meist mit ihnen stimmen, nur auf 49. Selbst wenn der Sitz des vor wenigen Tagen verstorben­en John McCain vorläufig leer bleiben sollte, hat die Opposition rechnerisc­h keine Chance, die Berufung Kavanaughs zu blockieren. Es sei denn, es finden sich Abtrünnige, die sich mit ihr verbünden. Oder aber es gelingt ihr, das Votum so lange hinauszuzö­gern, bis die Midterm-Wahlen im Spätherbst die Arithmetik verändern – was im Senat zwar möglich ist, aber nicht sehr wahrschein­lich.

Jedenfalls sind es die Schwankend­en auf beiden Seiten, um deren Stimmen mit aller Macht gerungen wird. Die Demokraten hoffen auf zwei moderate republikan­ische Senatorinn­en, auf Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska. Beide haben klargemach­t, dass der Supreme Court das Recht von

Frauen auf Schwangers­chaftsabbr­üche nicht antasten darf. Während das rechte Lager mit Kavanaugh die Hoffnung auf Einschränk­ungen des Abtreibung­srechts verbindet, verlangen sie Garantien, dass sich an der geltenden Rechtslage auch in Zukunft nichts ändert. Die Republikan­er wiederum bauen auf demokratis­che Senatoren, die im eher konservati­ven Milieu von Bundesstaa­ten zur Wiederwahl stehen, die Trump 2016 mit klarem Vorsprung gewann. Joe Manchin aus West Virginia gehört ebenso dazu wie Jon Tester aus Montana, Joe Donnelly aus Indiana und Heidi Heitkamp aus North Dakota. Falls die Vier Kavanaugh ihre Zustimmung verweigern, trommeln rechte Propagandi­sten, könnte sich der Souverän an ihnen rächen.

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FOTO: REUTERS

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