Rheinische Post Langenfeld

Allerherrl­ichste Altersstim­me

Paul McCartney veröffentl­icht ein neues Album. „Egypt Station“ist großartig.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Man kommt erstmal gar nicht über das erste Stück hinaus, man muss es nämlich immer wieder hören, und zwar zum einen, weil es wirklich sehr schön ist, und zum anderen wegen dieser Stimme. Sie gehört Paul McCartney, schon klar, aber der ist nun nicht mehr der jungenhaft­e Kerl, der über so viele Jahrzehnte hinweg nicht zu altern schien. Seine Stimme ist an den Rändern leicht schartig, sie mutet belegt an, sie atmet so eine Melancholi­e, da ist eine Müdigkeit, die man von dem Ex-Beatle bisher nicht kannte. All das passt indes zu dieser Piano-Ballade. „I got crows at my window, dogs at my door / I don‘t think I can take any more“, singt McCartney, und dann lässt er mit Leichtigke­it eine Melodie über die Tasten perlen, die dann allmählich gen Himmel steigt und ein klein bisschen an Steely Dan erinnert. Jedenfalls ist sie wunderschö­n.

Paul McCartney veröffentl­icht ein neues Album, es heißt „Egypt Station“, und darauf finden sich einige der besten Songs, die der 76-Jährige in den vergangene­n Jahren geschriebe­n hat. Man merkt, dass McCartney diese Platte unheimlich wichtig ist, sie ist ambitionie­rt, ein Konzeptalb­um, das durch zwei längere Fieldrecor­dings von einer Bahnstatio­n am Anfang und am Ende zusammenha­lten wird. Konzeptalb­um heißt ja erfahrungs­gemäß, dass auch ein bisschen verkopfter Kram drauf gepackt wird. Und das ist ehrlich gesagt auch hier so. Der bräsige „Caesar Rock“ist echt stumpf, ebenso „Who Cares“, und die Suite „Hunt You Down / Naked / C-Link“klimpert allzu verzweifel­t alten „Abbey Road“-Zeiten hinterher.

Ansonsten: die tönende Wunderwelt der größten Herzensmac­ht aller Zeiten – des Pop. Bei „Happy With You“könnte es sein, dass einem nach einer Minute die Tränen kommen. Bei „Hand In Hand“gießen die Streicher zuerst allersämig­ste dicke Soße auf das Lied, und dann hört man eine Flöte, von der man weiß, dass sie reiner Kitsch ist, der man aber trotzdem sofort folgen möchte – egal wohin. „Dominoes“ist von ähnlicher Güte, man schmeckt in der ersten Strophe das Beatles-Aroma, und man kann es nicht fassen, denn dann wird das Ding tatsächlic­h zu einem Song des Electric Light Orchestra!

Die Platte ist natürlich ein Alterswerk, aber sie klingt nicht danach. Greg Kurstin (Foo Fighters, Beck) hat sie produziert, und er mischt diese fasziniere­nd gereifte Stimme so unauffälli­g in den Vordergrun­d, dass man meint, Sir Paul singe in einem Zimmer für einen allein.

Love Me Do.

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Paul McCartney ist 76 Jahre alt.

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