Rheinische Post Langenfeld

Der Richter und sein Regisseur

Venedig: Henckel von Donnersmar­ck blickt wieder auf die deutsche Geschichte.

- VON ALIKI NASSOUFIS

VENEDIG (dpa) Die Spannung war groß. Immerhin hat „Werk ohne Autor“, der neue Film von Oscarpreis­träger Florian Henckel von Donnersmar­ck, bereits einige Vorschussl­orbeeren erhalten: Er wurde nicht nur als einziger deutscher Beitrag für den Wettbewerb der diesjährig­en Festspiele in Venedig ausgewählt, sondern auch zum deutschen Oscar-Kandidaten für den besten nicht-englischsp­rachigen Film gekürt. Jetzt fand in Venedig die Weltpremie­re von „Werk ohne Autor“statt.

Nach dem Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“, für das Henckel von Donnersmar­ck 2007 den sogenannte­n Auslands-Oscar gewonnen hat, kehrt der 45-jährige Regisseur thematisch erneut zur deutschen Geschichte zurück. Für „Werk ohne Autor“ließ er sich von der Biografie des gefeierten Malers Gerhard Richter inspiriere­n und erzählt von dem Künstler Kurt Barnert, der während der NS-Zeit aufwächst, in der DDR erste Erfolge feiert, dann aber in den Westen flüchtet. Dort versucht er in Düsseldorf Fuß zu fassen, wird aber von den traumatisc­hen Erlebnisse­n seiner Vergangenh­eit verfolgt.

„Ich glaube an die Freiheit der Kunst“, sagte Henckel von Donnersmar­ck in Venedig. „Die Kunst, die die Nationalso­zialisten und Kommuniste­n wollten, konzentrie­rte sich stark auf das Handwerk und eine politische Botschaft.“Im Deutschlan­d der Nachkriegs­zeit habe man etwas Neues gewollt und den handwerkli­chen Aspekt über Bord geworfen.

„Ich habe mir bei der Zeichnung der Figuren Freiheiten genommen, die ich brauchte, um meine Geschichte zu erzählen“, hatte Henckel von Donnersmar­ck zuvor im Presseheft erklärt. „Der Film soll nicht dokumentar­isch sein.“Deswegen spitzt er die Handlung zu und verdichtet sie, so dass es im Leben des Künstlers dramatisch­e Verwicklun­gen innerhalb der eigenen Familie gibt. Zentrale Figur ist dabei der Vater von Kurts späterer Ehefrau Elisabeth, der während des Zweiten Weltkriege­s mit den Nationalso­zialisten zusammenar­beitete.

Diese private Geschichte allein reicht Henckel von Donnersmar­ck aber nicht. Er bettet sie ein in die wechselvol­len Ereignisse des Landes. Er thematisie­rt Krieg und die Ermordung behinderte­r Menschen durch die Nationalso­zialisten, zeichnet die Unterdrück­ung im SED-Regime nach und porträtier­t nebenbei auch die Künstlersz­ene der noch jungen Bundesrepu­blik. Mehr als drei Stunden braucht er für „Werk ohne Autor“. Doch so packend dann die Zuspitzung des privaten Schicksals auch ist: Henckel von Donnersmar­ck will einfach zu viel – und das schadet vor allem seiner Hauptfigur, die von Tom Schilling gespielt wird.

Der 36-jährige Schilling verkörpert den Künstler Kurt durchaus glaubwürdi­g. Dennoch fehlt es seiner Figur an Tiefe; der Künstler wirkt häufig wie ein Beobachter der Ereignisse um sich herum. „Mein Charakter ist fast stumm“, bestätigte Schilling in Venedig. Obwohl er im Mittelpunk­t steht, bleibt er blass.

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