Rheinische Post Langenfeld

Namensstre­it lähmt Mazedonien

Die Regierung spricht von Erfolg, die Opposition von Niederlage: Nach dem Namensrefe­rendum droht in dem kleinen Balkanland eine Staatskris­e. Eine Neuwahl wird immer wahrschein­licher.

- VON RUDOLF GRUBER

SKOPJE Der sozialdemo­kratische Premier Zoran Zaev lügt sich in die eigene Tasche, wenn er das Ergebnis des Referendum­s als großen Erfolg wertet. Jedenfalls ist es alles andere als ein klarer Auftrag, die im Juni mit der griechisch­en Regierung vereinbart­e Änderung des Staatsname­ns in „Republik Nord-Mazedonien“umzusetzen (Griechenla­nd beanspruch­t die Bezeichnun­g „Mazedonien“allein für seine gleichnami­ge Provinz).

Zwar votierten rund 91 Prozent der Stimmberec­htigten für die Änderung, jedoch haben sich lediglich rund 37 Prozent der stimmberec­htigten Bürger am Referendum beteiligt – praktisch nur die Anhänger der Regierungs­koalition aus Zaevs Sozialdemo­kraten (SDSM) und den mitregiere­nden Albanerpar­teien. Rund zwei Drittel der Mazedonier haben nicht abgestimmt, weshalb Hristijan Mickoski, Chef der nationalis­tischen Partei VMRO-DPMNE und Opposition­sführer, von einem durchschla­genden Erfolg seines Boykottauf­rufs und einer Niederlage für die Regierung Zaev spricht.

Ob das für die Zukunft des Landes gut ist, steht auf einem anderen Blatt. Der russlandfr­eundlichen VRMO-Führung geht es in erster Linie darum, den Beitritt Mazedonien­s zur EU und Nato zu verhindern. Zumindest haben die Nationalis­ten den Prozess massiv gestört, wenn nicht gar an den Rand des Scheiterns gebracht.

Premier Zaev hatte die Situation gründlich falsch eingeschät­zt. So hatte er sich eine hohe Stimmbetei­ligung erhofft, indem er die Entscheidu­ng über den Staatsname­n mit der Zukunft des Landes in Europa verknüpfte. Die reichlich umständlic­h formuliert­e Abstimmung­sfrage lautete: „Sind Sie für die Mitgliedsc­haft in der EU und der Nato unter der Annahme der Vereinbaru­ng zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenla­nd?“Tausende Bürger, die für Europa sind, aber dafür nicht die nationale Identität – also den Staatsname­n – opfern wollen, fühlten sich von der Regierung Zaev erpresst. Und zogen es vor, auf ihr Stimmrecht zu verzichten.

Zaev wiederum folgte der Verlockung der Vermittler aus Brüssel und Washington. Deren Botschaft hatte bekanntlic­h gelautet, wenn die Mazedonier mit großer Mehrheit für die Änderung des Staatsname­ns stimmten, stünden dem Land die Türen zu EU und Nato weit offen. Denn Griechenla­nd habe sich in dem Abkommen verpflicht­et, die jahrelange Blockade gegen das nördliche Nachbarlan­d aufzuheben.

Das Ergebnis ist mangels Beteiligun­g von mindestens 50 Prozent ungültig, hätte aber für die Regierung Zaev ohnehin keine bindende Wirkung gehabt. Zaev wollte lediglich die Stimmung im Land testen. Die entscheide­nde Abstimmung über die Namensände­rung erfolgt im Parlament, vermutlich bereits nächste Woche. Doch das wird nicht ohne politische Spannungen abgehen – das Referendum hat die tiefen Gräben zwischen den Lagern sichtbar gemacht. Zumindest ist mit heftigen Straßenpro­testen zu rechnen.

Die Namensände­rung erfordert ein Verfassung­sgesetz, rein rechnerisc­h wäre die dafür erforderli­che Zweidritte­lmehrheit möglich: Zaevs Koalition aus Sozialdemo­kraten und drei Albanerpar­teien bringt es auf 71 der 120 Parlaments­sitze. Die zehn restlichen Stimmen hofft der Premier von pro-europäisch­en VRMO-Abgeordnet­en zu bekommen. Laut Gerüchten in Medien wären opposition­elle Abgeordnet­e bereit, mit der Regierung für die Verfassung­sänderung zu stimmen, wenn Korruption­s- und andere Strafverfa­hren aus der Regierungs­zeit von Premier Nikola Gruevski gegen sie eingestell­t würden. Um diese Abtrünnige­n zu schützen, soll die Abstimmung geheim erfolgen. Sollte dieser Kuhhandel nicht zustande kommen, kündigte Zaev bereits eine Neuwahl an, die noch im November stattfinde­n soll.

Die griechisch­e Regierung setzte sich am Montag dafür ein, dass ihr nördlicher Nachbar trotz eines ungültigen Referendum­s die beabsichti­ge Namensände­rung umsetzt. „Die Chance darf nicht verpasst werden“, sagte Regierungs­sprecher Dimitris Tzanakopou­los in Athen. Auch Bundesauße­nminister Heiko Maas rief beide Länder dazu auf, die Chance für eine Einigung im Namensstre­it zu nutzen.

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FOTO: REUTERS Demonstran­ten protestier­en in Skopje gegen das Namensrefe­rendum.

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