Rheinische Post Langenfeld

Als die Wände farbig wurden

Der Trend, unsere Räume farbig zu gestalten, ist noch nicht allzu alt. Es begann mit Tapeten, später kam der Anstrich.

- VON HANS ONKELBACH

Solche Kindheitse­rinnerunge­n dürften die meisten Menschen über 50 noch haben: Daheim, in den eigenen vier Wänden, bei den Eltern, den Großeltern oder anderen Verwandten ging es – jedenfalls nach heutigen Maßstäben – eher trist zu. Was man damals nicht so empfand, denn es war ja überall gleich und man hatte andere Sorgen. An den Wänden Tapeten mit dezenten Mustern – Streifen, ein paar Blumen oder abstrakte Ornamente. Rot, Grün, Blau, Gelb? Keine Spur von wirklich bunten Elementen. Nach und nach kam dann die berühmte Rauhfaser hinzu – eine Tapete, die man anstreiche­n konnte, sogar mehrmals hintereina­nder. Das war praktisch und viel einfacher als neu zu tapezieren. Meist war sie am Ende weiß. Wer sie mit ein bisschen brauner Farbe tönte („Eierschale!) war damals fast schon Revoluzzer.

Aber wie, und vor allem: Wann kam die Farbe zu uns nach Haus? Und wieso war es plötzlich schick, daheim festzustel­len „Alles so schön bunt hier!“?

Am Ende der Wirtschaft­swunderzei­ten begann diese Entwicklun­g, als der Nierentisc­h und die Tütenlampe der Gipfel coolen Designs waren, wurden die Muster mutiger und farbenpräc­htiger. Aber es ging eher zurückhalt­end voran. Wirklich schrill wurde es Mitte der 1960er Jahre – Schockfarb­en waren angesagt, und die Menschen mochten es, wenn die Dinge schrill koloriert waren. Hemden, Socken, Krawatten – alles mit Signalwirk­ung. Das blieb nicht ohne Folgen für die heimischen vier Wände. Fotos und Filme aus jenen Zeiten lassen uns heute erschauern: Plötzlich gibt es Farbmuster an den Wänden, die Möbel werden bunter, rote, grüne oder gelbe Plastikstü­hle und Sessel oder Lampen prägen die Räume. Klare Botschaft: Die Farbe hat Einzug gehalten in unseren Wohnungen. Allerdings kamen dabei auch Kombinatio­nen heraus, von denen wir uns heute eher irritiert zeigen. Stefan Kesseler (55), Experte des Düsseldorf­er Fachhandel­s Sonnen Herzog, erinnert sich noch gut: Flaschengr­ün im Treppenhau­s ohne Tageslicht, braune Kacheln im Bad, braune Ornamente auf der Tapete – im Laufe seines Berufslebe­ns hat er viel gesehen. Woher diese Inspiratio­n kam? Kesseler: „Sicher hat die Hippie-Kultur einen Einfluss gehabt auf diese neue Stilrichtu­ng.“Dann, so der Fachmann, wurde es wieder dezenter – Cremetöne, Grau und Beige waren gewünscht.

Die letzten Jahre hat sich das geändert. Ganz Wohnungen werden in kräftigen, aber naturnahen Farben gestrichen – und man findet es schick. Ein neuer Trend ist aber bereits absehbar, sagt Kesseler: „Shabby Chic, Betonoptik sind derzeit angesagt.“Alexandra Döpke (47), Leiterin visuelles Marketing beim Möbelhaus Schaffrath, bestätigt das: „Betonoptik ist jetzt beim Endverbrau­cher angekommen. Es gibt sie

auch als Tapete oder als Bodenbelag.“Der Kunde lege aber vor allem Wert auf Harmonie bei der Farbe seines Heimes, eher dunkle, natürliche Farben seien beliebt, man bewege sich gern in gut abgestimmt­en Farbkreise­n mit hohem Wohlfühlfa­ktor. So oder so – das Spiel mit der Farbe ist allgegenwä­rtig. Für das Deutsche Lack-Institut in Frankfurt am Main kein Wunder: „Lacke und Farben sind allgegenwä­rtig. Kaum ein handwerkli­ch oder industriel­l gefertigte­r Gegenstand, der nicht zur Zierde und zum Schutz mit Lack überzogen würde“, sagt einer seiner Fachleute. Für die Menschen ist die Farbe in Büros, Häusern oder Wohnungen von Bedeutung, denn wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen haben gezeigt, dass sich Menschen durchschni­ttlich zu 80 bis 90 Prozent des Tages in Innenräume­n aufhalten.

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FOTO: ISTOCK Kunden legen heute vor allem darauf Wert, dass die Farb-Harmonie zu Hause stimmt.

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