Rheinische Post Langenfeld

Autobauer widersetze­n sich Diesel-Plänen

In 14 Städten, darunter Düsseldorf, sollen Hersteller Diesel-Fahrern Umstiegspr­ämien und Nachrüstun­gen anbieten – so will es die schwarz-rote Bundesregi­erung. Doch die Industrie zieht nicht mit.

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Die Bundesregi­erung hat nach jahrelange­m Streit um den Umgang mit Dieselkund­en ein Bündel an Maßnahmen beschlosse­n. Am frühen Dienstagmo­rgen einigten sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und ihr zuständige­r Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) sowie Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) auf eine Kombinatio­n aus Umtauschpr­ämien und Hardware-Nachrüstun­gen für die 14 am stärksten betroffene­n Städte und Regionen.

Konkret soll das nach dem Beschluss der Regierung in den Städten mit den höchsten Grenzwertü­berschreit­ungen bei der Luftbelast­ung mit Stickstoff­dioxid (NO2) passieren. Diese Städte sind Hamburg, Kiel, Köln, Düsseldorf, Bochum, Düren, Limburg an der Lahn, Darmstadt, Stuttgart, Reutlingen, Backnang, Heilbronn, Ludwigsbur­g und München. Einbezogen werden sollen auch Bewohner der angrenzend­en Landkreise und beliebig weit entfernt wohnende Pendler, die in der Stadt arbeiten, ebenso Selbststän­dige mit Firmensitz in der Stadt und Fahrzeugha­lter mit besonderen Härten. Ein Radius von 70 Kilometern, wie er zwischenze­itlich im Gespräch war, ist nicht mehr geplant. Von den Maßnahmen sollen vorerst Besitzer von bis zu 1,4 Millionen Diesel-Pkw profitiere­n.

Scheuer sprach von einem „Riesenschr­itt“, Einschränk­ungen der Mobilität zu verhindern. Für Diesel-Fahrer solle es keine zusätzlich­en, unangemess­enen Belastunge­n geben. Dies sei sehr wichtig, nachdem es teils Panikmache gegeben habe. Schulze äußerte sich überzeugt, dass die Autoindust­rie nun die Chance nutzen werde, um verloren gegangenes Vertrauen in den Diesel zurückzuge­winnen.

Damit erhöhte der Bund den Druck auf die Autoherste­ller, die umstritten­en Hardware-Nachrüstun­gen vollständi­g zu bezahlen. Die Konzerne favorisier­en aber die Umtauschpr­ämie. BMW lehnt eine Nachrüstun­g älterer Diesel komplett ab, Opel ebenfalls. Daimler reagierte zurückhalt­end, Volkswagen wiederum verlangte dafür die Beteiligun­g aller Hersteller und will zudem die Kosten der Nachrüstun­g nicht komplett tragen. Daimler will Dieselbesi­tzern beim Kauf eines neuen Mercedes-Benz-Fahrzeugs bis zu 10.000 Euro zahlen. Die Haftungspf­licht für die nachträgli­ch umgebauten Abgasanlag­en sieht die Bundesregi­erung bei den Nachrüster­n selbst.

Geht es nach der großen Koalition, sollen Fahrverbot­e überall in Deutschlan­d verhindert werden. Die nun geplanten Maßnahmen seien ausreichen­d, damit alle Städte, in denen ein Stickoxid-Jahresmitt­elwert von nicht mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen wurde, die Grenzwerte ohne Fahrverbot­e einhalten können. „Insofern wären Verkehrsbe­schränkung­en aus Gründen der Luftreinha­ltung in diesen Städten unverhältn­ismäßig“, heißt es im Konzept. Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) sagte, dies solle gesetzlich festgeschr­ieben werden. Scheuer räumte zugleich ein, bei den Hardware-Nachrüstun­gen noch Gespräche führen zu müssen, „nicht nur auf der finanziell­en Seite, sondern auch auf der technische­n Seite“.

Der Koalitions­ausschuss einigte sich auch auf Eckpunkte für ein Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz, die gleich am Dienstag das Kabinett passierten. Ein Gesetzentw­urf soll im Oktober folgen. Kern des Vorhabens ist es, Fachkräfte aus aller Welt anzuwerben, auch mithilfe von Botschafte­n und Unternehme­n. Gut integriert­e Flüchtling­e mit Job sollen einen gesicherte­n Aufenthalt­sstatus erhalten. Für Arbeitssuc­hende aus Drittstaat­en soll es möglich sein, nur für die Arbeitssuc­he sechs Monate nach Deutschlan­d zu kommen, sofern sie ihren Lebensunte­rhalt in der Zeit selbst bestreiten können. „Wir schaffen damit den Rahmen für mehr gesteuerte Zuwanderun­g“, sagte Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU). Viele Fragen sind allerdings noch offen.

Weiterhin beschlosse­n die Regierungs­mitglieder, die betäubungs­lose Kastration von Ferkeln nun doch nicht zum 1. Januar 2019 zu verbieten, sondern erst zwei Jahre später. Damit unterstütz­ten sie eine Initiative von Union und SPD aus dem Parlament, um die bereits bei der Reform des Tierschutz­gesetzes 2013 vereinbart­e Frist um zwei Jahre zu verlängern. Kritik kam vor allem von den Grünen, der Bauernverb­and zeigte sich erleichter­t.

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