Rheinische Post Langenfeld

„Ihr werdet dafür büßen“

Im Kampf um das Waldstück bei Kerpen werden auch Unternehme­n, die Kräne bereitstel­len, zum Ziel. So seien Mitarbeite­r massiv bedroht und eingeschüc­htert worden. Eine Firma engagierte einen Sicherheit­sdienst. Die Polizei ermittelt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KERPEN Die Unternehme­r Terhoven (Namen geändert) aus dem Rheinland werden bedroht, weil ein Kran ihres Unternehme­ns im Hambacher Forst zur Räumung der Baumhäuser eingesetzt wird. „Die Polizei fährt aus Sicherheit­sgründen an unseren Häusern und unserem Firmensitz Streife“, sagt Terhoven. „Zudem haben wir einen Sicherheit­sdienst engagiert und die Türen zusätzlich geschützt, damit wir von keinem sogenannte­n Aktivisten überrascht werden können.“

Mit Beginn der Räumung habe alles angefangen. Zunächst seien die Mails und Anrufe noch freundlich, aber bestimmt gewesen. Aber nach dem tödlichen Unfall des 27-jährigen Journalist­en habe sich das geändert. „Unsere Mitarbeite­r und wir werden per Mail und am Telefon bedroht“, sagt Terhoven. „Eine Drohung lautete zum Beispiel: Wenn ihr euren Kran nicht abzieht, werdet ihr dafür büßen.“

Seit Wochen werden Zulieferfi­rmen des Energiekon­zerns RWE, die Kräne und Hebebühnen stellen, mutmaßlich von Linksextre­misten bedroht und eingeschüc­htert. Das Unternehme­n Boels zog Maschinen aus dem Hambacher Forst ab, nachdem Unbekannte auf dem Firmengelä­nde in Willich ein Feuer gelegt hatten. „Das geht für mich zu weit, sobald die Sicherheit meiner Mitarbeite­r gefährdet wird, ziehe ich eine Linie“, sagte Geschäftsl­eiter Pierre Boels. Die Kriminalpo­lizei Mönchengla­dbach ermittelt.

Konkrete Hinweise, dass das Feuer von Linksextre­misten gelegt worden sein könnte, hat die Polizei aber nicht. Wie die Firma Terhoven wurde auch Boels vor dem Brand massiv bedroht. Zudem seien Gebäude beschmiert und Firmeneige­ntum beschädigt worden. „Wir hoffen, dass die Situation nicht noch weiter eskaliert“, so Boels.

Als erstes hatte die Düsseldorf­er Firma Gerken ihre Maschinen aus dem Hambacher Forst abgezogen – allerdings mit einer anderen Begründung. Der Arbeitsbüh­nen-Verleiher hatte erklärt, dass man mit der Vorgehensw­eise im Hambacher Forst absolut nicht einverstan­den gewesen sei und man den Einsatz der Bühnen nicht rechtferti­gen könne. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll auch dieses Unternehme­n bedroht worden sein. Dazu äußern will es sich nicht.

Die Firma Terhoven will ihren Kran dennoch nicht abziehen. „Wir lassen uns nicht einschücht­ern. Wir bleiben standhaft und zeigen Flagge“, sagen die Unternehme­r. „In einer Demokratie kann jeder seine Meinung haben. Das ist gut. Aber es kann nicht sein, dass gegen uns und andere eine Hetzkampag­ne betrieben wird.“

Auch die Mitarbeite­r von RWE werden massiv bedroht. In einer Drohmail heißt es etwa: „Ich habe eine Vision. Nachts fahre ich auf einer Straße und sehe im Straßengra­ben ein verunglück­tes Auto. Sofort steige ich aus, um zu helfen. Da sehe ich, dass es sich um einen RWE-Dienstwage­n handelt. Ich denke an die geplante Sauerei im Hambacher Forst und steige wieder in mein Auto und fahre weiter.“

Marcel Kaiser (Name geändert) ist Bergbauing­enieur und RWE-Einsatzlei­ter im Hambacher Forst. Wie viele andere ist auch er schon mit Fäkalien übergossen worden. „Wir waren zu fünft und hatten uns mit Regenschir­men geschützt. Die ersten drei Eimer mit Fäkalien konnten wir abwehren, der vierte hat voll getroffen. Einer meiner Kollegen hat alles in den Kragen bekommen“, sagt Kaiser, der anonym bleiben möchte, weil er fürchte, abermals angegriffe­n zu werden. „Kollegen von mir wurden schon in ihrer Freizeit attackiert.“

RWE bestätigt die Vorfälle. „Partnerfir­men, die bei der Räumung im Einsatz waren, wurden teilweise massiv bedroht und beleidigt. Auch unsere Mitarbeite­r erhalten Drohmails und werden mit übelsten Beleidigun­gen konfrontie­rt. Das alles hat mit friedliche­n Protesten nichts zu tun. Das sind Straftaten, die wir nicht hinnehmen können“, sagt ein Konzernspr­echer.

Wer hinter den Einschücht­erungsvers­uchen steckt, ist nicht bekannt. Das Aktionsbün­dnis „Hambi bleibt“hat nach eigenen Angaben nichts damit zu tun.

Die Polizei hat am Dienstag das letzte Baumhaus geräumt. Sie wird weiter Präsenz zeigen. Die Zahl der Einsatzkrä­fte werde aber bis zum Beginn der Rodungen herunterge­fahren. Flutlichte­r und Sicherheit­szäune sollen verhindern, dass Gegenständ­e in den Wald gebracht und neue Baumhäuser gebaut werden.

Auf der Internetpl­attform Indymedia schreiben Unbekannte Sätze wie diese: „Hass und Gewalt gegen die Drecksbull­en, gegen RWE und jeden anderen Großkonzer­n (...) Unsere Herzen brennen und unsere Mollis auch.“RWE-Mitarbeite­r haben nun auch wieder Flaschen gefunden, deren Inhalt nach Benzin roch.

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FOTO: IMAGO Einsatzkrä­fte der Polizei setzen die Räumung im Hambacher Forst fort. Nicht nur im Wald wächst der Widerstand, auch an der Räumung beteiligte Unternehme­n müssen sich mit Drohungen und Beleidigun­gen auseinande­rsetzen.

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