Rheinische Post Langenfeld

Spahns Termin im Weißen Haus

Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister war zu Beratungen über Biobomben in Washington.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Stellen wir uns kurz vor, der deutsche Gesundheit­sminister hieße weiter Hermann Gröhe und müsste sich damit beschäftig­en, wie nach den Vorbereitu­ngen eines Islamisten für den Bau einer Biobombe in Köln der Katastroph­enschutz verbessert werden kann – das Publikum wäre doch sehr überrascht, wenn sich Gröhe eines Morgens zu Besprechun­gen über Biobombenv­orkehrunge­n aus dem Weißen Haus in Washington melden würde. Diesen Überraschu­ngsmoment hat an diesem Dienstag auch Gröhe-Nachfolger Jens Spahn bewirkt, gefolgt freilich von einem weiteren Effekt: Da zeigt einer, dass er auch die internatio­nalen Zusammenhä­nge in den Griff zu nehmen versteht und jetzt schon über ein Netzwerk verfügt, das bis in die Nähe des US-Präsidente­n reicht.

Eine – naheliegen­de – Unterredun­g mit dem US-Gesundheit­sminister wäre bestenfall­s auf Augenhöhe gewesen. Spahn landete indes im direkten Umfeld von Donald Trump: bei dessen Sicherheit­sberater John Bolton. „Wir waren uns einig, dass wir auf diesem Gebiet noch enger zusammenar­beiten müssen, um im Krisenfall schneller reagieren zu können“, lautete Spahns Kommuniqué, das er der Deutschen Presse-Agentur gab. Und es wurde auch bekannt, dass Bolton eine „gute halbe Stunde“für die Unterredun­g mit dem Gast aus Deutschlan­d hatte. Es ist bisher wohl äußerst selten bis nie vorgekomme­n, dass ein Nationaler Sicherheit­sberater der USA den Gesundheit­sminister eines anderen Landes empfangen hat. Von einer „Überraschu­ng“war deshalb auch in Washington die Rede.

Spahn versteht sich auf Überraschu­ngsmomente. Als der CDU-Parteitag sich 2016 in der Frage der doppelten Staatsbürg­erschaft gegenüber dem Koalitions­partner geschmeidi­g aufstellen wollte, sprang Spahn auf und drehte mit einer kurzen Interventi­on das angepeilte Abstimmung­sergebnis. Und schon 2014 hatten seine Netzwerke funktionie­rt, als er den vom Partei-Establishm­ent für einen Präsidiums­platz vorgesehen­en Gröhe verdrängen und selbst in die Parteiführ­ung einrücken konnte.

Die Reise ins Zentrum der Weltmacht kann zudem in einem Zusammenha­ng mit der Wahl von Ralph Brinkhaus zum Unionsfrak­tionschef gesehen werden. Dass der Ostwestfal­e diese zentrale Machtfunkt­ion übernommen hat, kommt den Ambitionen des Münsterlän­ders Spahn in die Quere. Denn zwei NRW-Leute an der Spitze von Fraktion oder Partei oder Regierung – das kollidiert mit dem Proporzden­ken der Union. So muss man sich denn beizeiten anderweiti­g in eine optimale Ausgangspo­sition schieben und dafür sorgen, Mitglied der Kronprinze­nriege zu werden. Zum Beispiel, indem man nicht nur für Verantwort­ung im Gesundheit­sbereich gehandelt werden kann.

Wie Spahn zu der Vorzugsbeh­andlung im Weißen Haus kam, ist leicht zu erschließe­n. Der Trump-Vertraute Richard Grenell verriet Spahn-Biograf Michael Bröcker: „Wir wären wohl auch Freunde, wenn wir uns auf der Uni kennengele­rnt hätten.“Seit Grenell US-Botschafte­r in Berlin ist, hat sich mit Verspätung dann doch eine Freundscha­ft zwischen Grenell und Spahn entwickelt. Für Grenell ist Spahn inzwischen eine Art „Berater“geworden. Termine im Weißen Haus inklusive.

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FOTO: DPA Jens Spahn hat einen guten Kontakt ins Weiße Haus.

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