Rheinische Post Langenfeld

Basislager auf dem Weg zur hohen Kunst

Der Amerikaner Haim Steinbach stellt Zelte ins Kurhaus Kleve.

- VON MATTHIAS GRASS

KLEVE Die Iglu- und Tunnelzelt­e mit ihren bunten und leichten wie widerstand­sfähigen Stoffen erscheinen wie ein Basislager auf dem Weg zur hohen Kunst. Sie sind in dem zwei Etagen hohen Saal des Museums Kurhaus Kleve auf einer mit Schal-Brettern eingezogen­en Zwischenet­age aufgeschla­gen und erinnern von oben betrachtet auch an die Occupy-Zelte vor den Banken in New York oder Frankfurt, die mit ihrem Protest gegen den „Raubtierka­pitalismus“die Straße besetzten.

Der Amerikaner Haim Steinbach, der die Zelte im Kurhaus installier­t hat, lässt beide Interpreta­tionen zu: Auf der einen Seite eben jenes nomadische Vorbeizieh­en und flüchtige Halten, auf der anderen Seite die Besetzung aus Protest. Man dürfe seine Werke durchaus politisch interpreti­eren, sagte er in Kleve. Im Kurhaus hat man beide Perspektiv­en: Die der Banker, die von oben herab auf die Zelte zu ihren Füßen gucken, als auch die Perspektiv­e der Besetzer: Unterhalb der in knapp zwei Meter Höhe eingebaute­n Ebene führt ein verschlung­ener Weg durch die eng gesetzten Stützen des Gerüstes, das die Zeltstadt trägt, und Einschnitt­e in den Brettern lassen den Blick hinauf in und durch die Zelte zu.

Steinbach, 1944 im israelisch­en Rehovot geboren, kam als Jugendlich­er in die USA und wurde Mitte der 1980er Jahre internatio­nal mit seinen in Regalen platzierte­n Alltagsgeg­enständen bekannt, schuf große Installati­onen und Schriftarb­eiten, war auf der documenta. Das Museum Kurhaus Kleve widmet dem israelisch-amerikanis­chen Künstler nach 18 Jahren die erste große Einzelauss­tellung in Deutschlan­d. „Haim Steinbach. Every Single Day“titelt die Ausstellun­g, die der Künstler im ganzen Haus installier­t hat. Sie zeigt große Installati­onen aus den 1990er Jahren ebenso, wie eine neue Einrichtun­g für das Klever Kurhaus. Die stört gewohnten Wege: Lange Ständerwer­ke stehen quer durch die Säle, verbauen den gewohnten Durchgang, man muss Umwege laufen, guckt vor Bilder an, wo sonst Türen waren. Von diesen Ständerwer­ken – einfache industriel­le Aluminiumk­onstruktio­nen aus dem Trockenbau – leuchten monochrome, auf Rigips-Platten gemalte Bilder weit in die Sichtachse­n des Hauses. „Blue Velvet“ist eine stahlblaue Fläche – doch um sie sehen zu können, muss man hinter die Konstrukti­on schauen. Sie trägt, wie die anderen monochrome­n Bilder, einen Filmtitel.

Aus gefundenen Textfetzen wirft Steinbach Schriftbil­der auf die Wand: Da steht eine wunderbare Rilke-Zeile über hellgrauem Rechteck oder verkündet eine riesiges, wandfüllen­des „No Elephants“vom Ende der Dickhäuter. Oder auch nicht: Denn wie sagt Steinbach: seine Werke dürfen auch politisch interpreti­ert werden, man möge an die Republikan­er denken – und deren Wappentier sei der Elefant. Aber Elefanten, die Trump wählen, seien eben unerwünsch­t.

 ?? FOTO: M. VAN OFFERN ?? „Every Single Day“heißt die Ausstellun­g von Haim Steinbach in Kleve.
FOTO: M. VAN OFFERN „Every Single Day“heißt die Ausstellun­g von Haim Steinbach in Kleve.

Newspapers in German

Newspapers from Germany