Rheinische Post Langenfeld

Was Dieselfahr­er jetzt wissen müssen

Die Bundesregi­erung will Anreize schaffen, damit alte Diesel aus den Städten verschwind­en. Doch die Hersteller bieten nur Umtauschpr­ämien, Nachrüstun­gen lehnen sie ab. Verbrauche­rschützer sind enttäuscht.

- VON JAN DREBES

BERLIN Jahrelang stritten Union und SPD um Hilfe für betrogene Dieselkund­en. Nun drohen Fahrverbot­e in Städten mit hoher Verkehrsdi­chte. In einer Nachtsitzu­ng hat die Bundesregi­erung sich nun auf ein Paket von Maßnahmen geeinigt.

Warum hatte die Regierung so viel Eile?

Die Koalition aus Union und SPD steht aus mehreren Gründen unter Zugzwang. Das Bundesverw­altungsger­icht hatte geurteilt, dass Fahrverbot­e von Städten verhängt werden können, wenn nur so die Grenzwerte für Stickoxide einzuhalte­n sind. Weil das nun in mehreren Städten droht, musste sich etwas bewegen. Hinzu kam politische­r Druck etwa aus Hessen, wo Wahlkampf ist. In Frankfurt drohen Fahrverbot­e. Zudem wollte die Bundesregi­erung nach den jüngsten Querelen wieder Handlungsf­ähigkeit beweisen.

Welches Ziel verfolgt die Regierung?

Die Koalitionä­re setzen auf einen Dreiklang aus Verbesseru­ngen der Luftqualit­ät, Vermeidung von Fahrverbot­en sowie der Verpflicht­ung der Autoherste­ller auf Hilfen. Bezogen auf die Luftqualit­ät gibt es einen Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft, der im Jahresmitt­el nicht überschrit­ten werden darf. Alle deutschen Städte sollen diesen Grenzwert möglichst zeitnah einhalten. Mehr als 65 Städte gelten als luftversch­mutzt, in 14 Städten wurde zuletzt ein Jahresmitt­elwert von mehr als 50 Mikrogramm gemessen.

Was will der Staat tun, damit die Grenzwerte eingehalte­n werden?

Weil vor allem Diesel für den Stickoxida­usstoß verantwort­lich sind, sollen viele aus den belasteten Städte verschwind­en. Die Hersteller sollen das nach dem Willen der Koalition mit Kaufanreiz­en für saubere Autos sowie Abgasnachr­üstungen unterstütz­en. Gleichzeit­ig will die Regierung ihr bestehende­s Förderprog­ramm „Saubere Luft“erweitern. So sollen Diesel-Busse umgerüstet werden, Taxen sowie schwere Kommunalfa­hrzeuge, etwa von der Stadtreini­gung oder der Feuerwehr. Das gilt für alle Städte, in denen die Stickoxidw­erte über 40 Mikrogramm im Jahresmitt­el liegen. Außerdem sollen Handwerker in diesen Kommunen und in angrenzend­en Landkreise­n ihre gewerblich genutzten Fahrzeuge mit einem Gewicht zwischen 2,8 bis 7,5 Tonnen technisch umrüsten lassen können. Die Kosten für die sogenannte­n SCR-Katalysato­ren, mit denen die Stickoxide­missionen erheblich gesenkt werden können, will der Bund bis zu 80 Prozent übernehmen. Über die übrigen 20 Prozent will Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) noch mit den Autoherste­llern verhandeln.

Sind Gesetzesän­derungen nötig?

Der Bund will festlegen, dass Fahrverbot­e in Kommunen gesetzlich ausgeschlo­ssen werden, in denen die Stickoxidw­erte nicht über 50 Mikrogramm liegen. Ferner will der Bund für die besonders belasteten Städte einen neuen Grenzwert einziehen: So sollen künftig alle Fahrzeuge, die weniger als 270 Milligramm Stickoxid je Kilometer ausstoßen, auch in Fahrverbot­szonen fahren können – selbst wenn sie alte Emissionsn­ormen wie Euro 4 oder Euro 5 haben.

Was müssen die Hersteller tun?

Die Hersteller sollen Fahrern besondere Angebote machen, die einen Wohnsitz in einer der 14 besonders belasteten Städte haben. Das sind München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsbur­g. Auch Menschen, die einen Wohnsitz in einem an diese Städte angrenzend­en Landkreis haben, weiter entfernt lebende Pendler mit einem Job in einer der Städte, Selbststän­dige mit einem Firmensitz in einer dieser Städte sowie Fahrzeugha­lter, die etwa wegen körperlich­er Beeinträch­tigungen in diese Städte mit dem Auto fahren müssen, sollen begünstigt werden. Die Hersteller sollen nach dem Willen der Bundesregi­erung Umtauschpr­ämien für Halter von Euro-4- und Euro-5-Fahrzeugen anbieten, wenn diese stattdesse­n ein Neu- oder Gebrauchtf­ahrzeug mit Euro 6 wählen. Lehnt jemand diese Prämien ab, sollen die Hersteller auf eigene Kosten technische Nachrüstun­gen anbieten, die den Stickoxida­usstoß auf unter 270 Milligramm reduzieren. Die Haftung für diese Umbauten müssen die Nachrüster übernehmen.

Woher wissen Fahrer, in welche Schadstoff­klasse ihr Auto fällt?

Die Schadstoff­klasse ist im Fahrzeugsc­hein im Feld 14 eingetrage­n. Die roten, gelben und grünen Umweltplak­etten an den Windschutz­scheiben tragen zwar auch Nummern, beziehen sich aber auf die Umweltzone­n.

Was können Dieselkund­en von den Hersteller­n erwarten?

Mehrere Hersteller haben bereits Umtauschpr­ämien zugesagt. Je nach Modell sagt der VW-Konzern zwischen 4000 und 8000 Euro zu, Daimler will bis zu 10.000 Euro zahlen, Ford bis zu 8000 Euro. BMW verspricht vergünstig­te Leasingrat­en. Hardware-Nachrüstun­gen lehnen mit Ausnahme von VW alle Hersteller weitgehend ab. BMW und Opel haben sich entspreche­nd deutlich geäußert. Und Volkswagen will auch allenfalls 80 Prozent der Kosten tragen.

Was müssen Autofahrer beachten, die ihren alten Diesel tauschen wollen?

Besonders wichtig ist, dass sie bei der Wahl des neuen Fahrzeugs darauf achten, dass es bereits die Anforderun­g von maximal 270 Milligramm Stickoxid je Kilometer erfüllt. Ansonsten kann nicht sichergest­ellt werden, dass es von Fahrverbot­en verschont bleibt. Die Norm Euro 6 bedeutet nicht automatisc­h, dass dieser Wert eingehalte­n wird. Dazu können in bestimmten Fällen Softwareod­er auch Hardware-Nachrüstun­gen nötig sein.

Für wen könnten sich Nachrüstun­gen lohnen?

Wer sich trotz der Umtauschpr­ämien kein anderes Fahrzeug leisten kann oder will, muss auf die Zusagen für Hardware-Nachrüstun­gen warten. Für Euro-4-Fahrzeuge sind diese aber ausgeschlo­ssen. Wer sich für eine Nachrüstun­g entscheide­t, sollte bedenken, dass das Auto danach wahrschein­lich mehr Sprit verbraucht und auch Harnstoff für den speziellen Katalysato­r regelmäßig nachgefüll­t werden muss.

Was sagen Verbrauche­rschützer?

Der ADAC forderte, die Hersteller müssten nun liefern. „Erst wenn deren Angebote verbindlic­h auf dem Tisch liegen, wissen die Verbrauche­r, was die Beschlüsse der Koalition wert sind.“Der Chef der Verbrauche­rzentralen, Klaus Müller, sagte, leider blieben wichtige Fragen offen. Ein Paket aus technische­n Nachrüstun­gen und Rabatten könne sinnvoll sein. „Aber wenn die Autoherste­ller nicht mitziehen, haben Verbrauche­r nichts gewonnen.“Der Chef der Deutschen Umwelthilf­e, Jürgen Resch, sagte, es sei ein „Mäuschen“geboren worden. „Die Umtauschpr­ämie ist ohne Effekt für die Luftreinha­ltung, und die Nachrüstun­g ist ein frommer Wunsch.“

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