„Venom“: Das Monster mit dem großen Herzen
(schwi) Eigentlich kommt die Marvel-Figur Venom aus dem Lager der Antagonisten, deren Existenz in der Welt der Comic-Verfilmungen zumeist auf eine Folge beschränkt bleibt und im Finale mortal beendet wird. Aber schon bei seinem ersten Auftritt vor elf Jahren in „Spider-Man 3“merkte man, dass dieser Schurke – gespielt von Topher Grace – zu Höherem berufen war. In bester Jekyll-und-Hyde-Tradition wohnen zwei Seelen in seiner Brust, die um Vorherrschaft kämpfen.
Nun bekommt die Figur mit „Venom“unter der Regie von Ruben Fleischer ihr eigenes Franchise. Tom Hardy schlüpft in die Rolle des investigativen Journalisten Eddie Brock, der unverhofft zum Wirtskörper eines Aliens wird. In seinen Reportagen nimmt Eddie kein Blatt vor den Mund und deckt die sozialen Missstände in seiner Heimatstadt San Francisco auf. Aber als er sich mit dem einflussreichen GenTech-Mogul Carlton Drake anlegt, der für seine Experimente mit außerirdischen Organismen Obdachlose als Versuchskanninchen benutzt, wird ihm sofort gekündigt. Als er nachts in Drakes Labor einbricht, bemächtigt sich ein glibbriges Alien seines Körpers.
In Rage geraten verwandelt sich Eddie in ein zähnfletschendes Monster, das über beeindruckende übernatürliche Fähigkeiten verfügt. Diese Kräfte möchte Eddie nutzen, um dem finsteren Wissenschaftler sein Handwerk zu legen. Aber die Frage ist, wer hier in der Symbiose das Sagen hat.
Dieser Kampf der beiden entgegengesetzten Wesen um die Vorherrschaft im Körper wird in „Venom“unterhaltsam ausgefochten. In den finsteren Grundton der Erzählung mischt sich zunehmend auch ein gewisses Maß an Humor. Denn der Held muss sich nicht nur mit Heerscharen feindlicher Finsterlinge befassen, sondern selbst immer wieder die Balance zwischen monströser Allmacht und eigenem Gewissen suchen. Dabei finden die beiden divergierenden Pole zunehmend Gefallen aneinander. Sicherlich hätte man sich die Hyde-Seite noch ein wenig böser gewünscht, und auch auf die elektronisch verzerrte Standard-Monster-Stimme könnte man gut und gerne verzichten. Aber der fabelhafte Tom Hardy erweist sich als Idealbesetzung. Der Brite überzeugt auf der ganzen Bandbreite seiner zwischen Verzweiflung und Omnipotenz hin- und hergerissenen Figur und überlebt sogar die zahlreichen digitalen Verwandlungen zwischen Monster und Mensch, ohne dass seine schaupielerische Integrität beschädigt wird.
Venom, USA 2018, Regie: Ruben Fleischer, mit Tom Hardy, Michelle Williams, 113 Minuten