Rheinische Post Langenfeld

Seehofer ist gar kein Bauer

Nach der Landtagswa­hl in Bayern erwarten viele ein sogenannte­s Bauernopfe­r.

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Das Bauernopfe­r ist in der Politik ein viel bemühtes sprachlich­es Bild. Im Schachspie­l kann man einen Bauern aus vielen Gründen opfern: zur Öffnung des Feldes, zum Durchstoße­n gegnerisch­er Linien und sogar, um Raum zum gegnerisch­en König zu schaffen. In der Politik spricht man von einem Bauernopfe­r, wenn man durch den Rauswurf oder das Straucheln eines vom Rang eher niedrigen Politikers oder Beamten den eigentlich Verantwort­lichen schützen möchte. Daher ist es völlig unpassend, CSU-Parteichef und Innenminis­ter Horst Seehofer als Bauernopfe­r zu betrachten, sollte die bayerische Landtagswa­hl für die CSU schlecht ausgehen – was nach dem jetzigen Stand der Umfragen als unausweich­lich erscheint. Seehofer ist machtpolit­isch gesehen kein einfacher Bauer, sondern wohl eher ein Großgrundb­esitzer, der viele Mittel hat, seine Pfründen zu verteidige­n. Kennzeiche­n eines Bauernopfe­rs ist, dass andere über seinen Kopf hinweg seinen Abgang beschließe­n können. Wenn Seehofer aber nach der Wahl in Bayern gar nicht seinen Rückzug ankündigt, dann braucht die CSU erst einmal einen Parteitag, bei dem in einer Kampfabsti­mmung ein neuer Parteichef gewählt wird. Und wer soll das werden? Wahlverlie­rer Markus Söder? Erst danach könnte der neue CSU-Parteichef den Innenminis­ter Horst Seehofer abberufen. Auch das ist nicht ganz trivial, denn aktuell gibt es in der CSU keinen anderen, der sich um diesen Job reißt. Möglich ist ein solches Szenario. An dem Aufwand, den die CSU betreiben müsste, Seehofer aus seinen Ämtern zu entfernen, kann man erkennen, dass es sich jedenfalls nicht um ein Bauernopfe­r handeln würde. Vielmehr wäre es politisch gesehen ein Königsmord. Die CSU ist dazu grundsätzl­ich fähig, wie sie in der Vergangenh­eit mehrfach bewiesen hat.

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