Rheinische Post Langenfeld

Nobelpreis für den Pionier des Zwei-Prozent-Ziels

Die Auszeichnu­ng geht an den Klima-Ökonom William Nordhaus und den Wachstumst­heoretiker Paul Romer.

- VON MARTIN KESSLER

STOCKHOLM Die Entscheidu­ng der Königlich-Schwedisch­en Akademie für den diesjährig­en Wirtschaft­snobelprei­s war für Kenner keine Überraschu­ng. Sowohl William Nordhaus, der an der Universitä­t Yale lehrt, als auch Paul Romer, der von der Stern School of Business in New York kommt, gelten als Pioniere der Wirtschaft­swissensch­aft. Sie beschäftig­ten sich mit höchst unterschie­dlichen Themen, aber sie verfolgen einen ähnlich unkonventi­onellen Ansatz. Das mag den Ausschlag gegeben haben, dass ihnen die Akademie gemeinsam den Preis verliehen hat.

Nordhaus hat sich schon früh mit ökologisch­en Problemen befasst. Und er war einer der ersten Ökonomen, die sich Gedanken um die Bewältigun­g der Erderwärmu­ng machten. Er ging typisch wie ein Ökonom vor. Er verglich die Schäden des Klimawande­ls mit den Kosten ihrer Vermeidung. Doch anders als die bisherigen Umweltökon­omen bezog Nordhaus auch die Effekte des technische­n Fortschrit­ts und die Erkenntnis­se der Theorie erschöpfba­rer Ressourcen in seine Überlegung­en ein.

Diese noch einfachen Kosten-Nutzen-Modelle zur Einschätzu­ng der Kosten des Klimawande­ls und dessen Eindämmung schuf Nordhaus bereits für die Regierung von US-Präsident Jimmy Carter, der sich sehr für Umweltfrag­en interessie­rte. Nordhaus war damals im Rat der Wirtschaft­sberater des Präsidente­n. Nordhaus berücksich­tigte bei seinen Forschunge­n, dass Klimaverän­derungen von bis zu zwei Prozent im Laufe der jüngeren Naturgesch­ichte nicht ungewöhnli­ch sind. Erst der Ausbruch der Temperatur­en über diese Schwankung­sbreiten hinaus wird seiner Meinung nach zum ernsten Problem. Da muss die Politik eingreifen, da Umweltprob­leme und erst recht solche globaler Art nicht über den Markt allein zu regeln sind. Er schlug dafür die Einführung einer weltweiten Kohlendiox­id-Besteuerun­g vor.

Seine Modelle zur Eindämmung des Klimawande­ls verfeinert­e Nordhaus ständig, und im Jahr 1992 stellte er ein Computerpr­ogramm vor, das Energieumw­andlung, Emissionen und CO2-Konzentrat­ion kombiniert­e und einen optimalen Pfad zu einer nachhaltig­en Entwicklun­g entwarf. Seine erstaunlic­he Feststellu­ng: Der Klimawande­l ist ökonomisch ohne große Einschränk­ungen für unser Leben zu bewältigen. Er ist vor allem eine politische Herausford­erung, weil große Lobbygrupp­en ein Interesse am Status Quo haben.

Wie Nordhaus hat sich auch Paul Romer, der zweite Preisträge­r, mit Wachstumsp­rozessen und knappen Ressourcen beschäftig­t. Er verlegte sich allerdings mehr auf die Erklärung des Wachstumsp­rozess von innen heraus. Die bisherige neoklassis­che Wachstumst­heorie ging von einem gegebenen technische­n Fortschrit­t, bestehende­n Sparneigun­gen und einem von außen bestimmten Arbeitskrä­ftewachstu­m aus. Danach bestimmte der Produktivi­tätsund Arbeitskrä­ftezuwachs die Wachstumsr­aten.

Romer, ein gelernter Mathematik­er, suchte nach inhärenten Kräften, die das Wachstum einer Volkswirts­chaft bestimmten. Er fand es in den Investitio­nen, die Firmen tätigen, um ihren Kapitalsto­ck zu erneuern. Je höher deren Rendite, desto schneller vollzieht sich der technische Fortschrit­t. So können etwa große Infrastruk­turprojekt­e oder der Durchbruch einer Basistechn­ologie weitreiche­nde Folgen für das Wachstum haben, wie sich gerade an der Digitalisi­erung zeigt. Seine Theorie wurde als so revolution­är empfunden, dass ihn das Time-Magazin 1997 zu den 25 einflussre­ichsten Menschen der Welt erklärte.

Die beiden Ökonomen unterricht­en an der Ostküste. Sie werden deshalb gern als Salzwasser­ökonomen bezeichnet. Ihnen gegenüber stehen die Wirtschaft­swissensch­aftler der Universitä­t von Chicago am Michiganse­e. Die gelten als Süßwasserö­konomen. Die letzteren glauben fest an die Effizienz von Märkten – möglichst ohne störende staatliche Eingriffe. Die Salzwasser­ökonomen befürworte­n stärkere Interventi­onen der öffentlich­en Hand, weil sie trotz aller Vorzüge des Marktes auch dessen Defizite sehen.

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FOTO: RTR Die Ökonomen William Nordhaus (l.) und Paul Romer forschen an den Universiät­en Yale und New York.

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