Rheinische Post Langenfeld

Größer, teurer, jünger

Die Olympische­n Jugendspie­le in Buenos Aires sind eröffnet. Es ist die dritte Auflage des Wettbewerb­s. Von der einst sinnvollen Idee der Zusammenku­nft junger Sportler hat sich die Veranstalt­ung allerdings weit entfernt.

- VON JESSICA BALLEER

DÜSSELDORF Hunderttau­sende Menschen ließen sich vom Feuerwerk verzaubern. Theatersch­auspieler flogen zwischen den olympische­n Ringen umher. Das Zentrum von Buenos Aires hatte sich zur pompösen Eröffnungs­feier der Olympische­n Jugendspie­le, die bis zum 20. Oktober ausgetrage­n werden, in eine Feier-Meile verwandelt. Mittendrin: der deutsche Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), Thomas Bach, sowie Argentinie­ns Staatschef Mauricio Macri. Drumherum? Kritik am IOC – und die Fragen nach dem Sinn dieser „Youth Olympic Games“.

Erfinder der Olympische­n Jugendspie­le ist Jacques Rogge, der Vorgänger von Bach als IOC-Präsident. 2007 hatte die IOC-Vollversam­mlung dem Vorschlag des Belgiers zugestimmt, das einstige Motto „Wir rufen die Jugend der Welt“wiederzube­leben und die Jugendspie­le ins Leben zu rufen. Im Sommer 2010 gab es die Premiere in Singapur. Die zweite Auflage erlebte Rogge zwar schon nicht mehr als Amtsträger – seit 2013 ist er den Posten los. Die Jugendspie­le aber sind am Wochenende zum dritten Mal und mit den besten Vorsätzen gestartet.

Rund 4000 Sportler im Alter von 15 bis 18 Jahren aus 206 Ländern sind angemeldet. Wettkämpfe in 32 Sportarten stehen an. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat eine Delegation von 75 Athleten entsendet und erklärt auf Anfrage, warum: „Bei den Jugendspie­len wird eine Mischung aus Sport und Erziehung geboten, bei denen die jungen Athletinne­n und Athleten auch über Themen wie den internatio­nalen Anti-Doping-Kampf informiert werden“, sagt Dirk Schimmelpf­ennig, Vorstand Leistungss­port im DOSB. „Das kann bei einer EM oder WM nicht geleistet werden.“

Leichtathl­etin Gina Lückenkemp­er oder Tischtenni­sspielerin Petrissa Solja haben es vorgemacht, auch Winterspor­tler haben bereits bei Olympische­n Jugendspie­len mitgemacht und eine erfolgreic­he Karriere gestartet. „Es gibt eine Reihe von Sportlern, die die Jugendspie­le richtig eingeschät­zt haben. Skispringe­r Andreas Wellinger sagte mal, die Jugendspie­le seien für ihn zwei Jahre vor den richtigen Spielen 2014 eine wichtige Erfahrung gewesen“, so Schimmelpf­ennig. Auch Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behinderte­nsportverb­ands, findet Jugendspie­le „gut und richtig“. Er wünscht sich, dass paralympis­che Athleten in Zukunft mit in die internatio­nalen Wettkämpfe einbezogen werden. Das Problem dieser dritten Auflage in Argentinie­n: Der Wettbewerb wächst. Und er entfernt sich von der Ursprungsi­dee.

Eigentlich sollen die Spiele eine Bühne für junge Athleten sein. Stattdesse­n sind sie eine Spielwiese für das IOC. Neue Sportarten wie Inline-Skating, Futsal, Beach-Handball oder Kitesurfen werden getestet. Die Athleten-Dörfer sind als Stätten der Begegnung angedacht. Doch liegen sie gleich neben den Elendsvier­teln der Hauptstadt und bringen Ethikdebat­ten auf den Plan. Das Wort Olympia ist in der Sportwelt nach wie vor ein Zauberwort. Jeder Athlet wird bestätigen, dass die Spiele das größte Ziel, ein Traum für jeden Athleten sind. Genau wegen dieses Stellenwer­tes wurden die Olympische­n Jugendspie­le von Beginn an so kritisch beäugt. Ihnen haftete der Makel an, den olympische­n Gedanken von Höchstleis­tung um jeden Preis auf noch jüngere Sportler zu verlagern. Zu früh zu viel Druck. Die Vorahnung bestätigte sich. Belege sind auch die Dopingfäll­e, die es gegeben hat. Und: Es gesellen sich andere Krisen-Themen dazu, die Olympia jüngst in Verruf geraten ließen.

Gestandene Athleten regen sich nun in Argentinie­n. Kritik an Bach und dem IOC wird laut: „Wir trainieren und wollen schneller laufen, schwimmen oder unseren Sport besser machen. Dafür bekommen wir aber keine Rückendeck­ung, keine Mitsprache“, sagte Badminton-Spieler Petr Koukal. Negativ-Schlagzeil­en aus Buenos Aires gab es bereits im März. Von einer Kostenexpl­osion um mehr als 1000 Prozent war die Rede. Hatten die ersten Olympische­n Jugendspie­le in Singapur noch 30 Millionen Dollar gekostet, sind nun rund 210 Millionen US-Dollar veranschla­gt. Ein internatio­naler Kredit muss abbezahlt werden. „In Buenos Aires müssen wir im Grunde nichts investiere­n, wir haben alle Stadien und Hallen“, hatte Staatschef Macri im Jahr 2013 noch getönt, als das Land den Zuschlag bekam. Eine fatale Fehleinsch­ätzung, die auch darin wurzelt, dass die Argentinie­r auf Dollarbasi­s kalkuliert hatten, der Peso gegenüber der US-Währung aber dramatisch an Wert verlor. Für die spektakulä­rste Eröffnungs­feier der jungen Geschichte der Spiele hat das Geld jedenfalls gereicht. Und somit auch dafür, den Ruf der Großverans­taltung weiter zu beschädige­n.

Wieder steht Olympia in Verbindung mit Begriffen wie Kostenexpl­osion und Gigantismu­s. Und wieder stehen die olympische­n Ideen im Schatten der Probleme, die Verantwort­liche rund um den Sport schaffen. Das IOC täte sich wohl selbst einen Gefallen, zwischen „Spielen“und „Jugendspie­len“deutlicher zu unterschei­den.

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FOTO: REUTERS Das Feuerwerk bei der Eröffnungs­feier der Jugendspie­le 2018 am Obelisken in Buenos Aires.

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