Rheinische Post Langenfeld

Entwurf für Polizeiges­etz entschärft

CDU und FDP wollten das bisher schärfste Anti-Terrorgese­tz für NRW durchsetze­n. Doch Verfassung­srechtler durchkreuz­ten die Pläne. Nun rudert die Koalition zurück.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die schwarz-gelbe Koalition hat sich auf einen neuen Entwurf für ihr geplantes Polizeiges­etz verständig­t. Der verfassung­srechtlich umstritten­e Begriff der „drohenden Gefahr“als Rechtsgrun­dlage für zusätzlich­e Polizeibef­ugnisse wurde nach breiter Kritik aus dem ursprüngli­chen Entwurf gestrichen. Der neue Entwurf hält an den meisten ursprüngli­ch geplanten, zusätzlich­en Polizeibef­ugnissen fest. Er formuliert dafür aber andere Rechtsgrun­dlagen. Das neue Polizeiges­etz soll der Landtag noch in diesem Jahr verabschie­den.

Auch dem neuen Entwurf zufolge soll die Polizei künftig wesentlich mehr Handlungss­pielraum bekommen. So sollen in NRW künftig „strategisc­he Fahndungen“möglich sein: anlassbezo­gene, aber verdachtsu­nabhängige Anhalte- und Sichtkontr­ollen im öffentlich­en Verkehrsra­um. Bislang musste die Polizei solche Kontrollen mit einem konkreten Verdacht begründen. Ausgeweite­t werden soll außerdem die Telekommun­ikationsüb­erwachung. Nach richterlic­her Anordnung soll die Polizei auch auf verschlüss­elte Messengerd­ienste zugreifen dürfen. Bei ausreichen­d begründbar­em Verdacht auf eine bevorstehe­nde terroristi­sche Straftat sollen Gefährder zu einer Art Hausarrest gezwungen werden können. Auch der Kontakt mit bestimmten Personen oder Gruppen soll ihnen untersagt werden können. Die Überwachun­g solcher Auflagen soll mit elektronis­chen Fußfesseln möglich sein.

Der sogenannte Unterbindu­ngsgewahrs­am bei einer drohenden Terrorgefa­hr soll nach richterlic­her Anordnung von derzeit maximal 48 Stunden auf 14 Tage ausgeweite­t werden. Danach soll eine einmalige Verlängeru­ng um weitere 14 Tage möglich sein. Auch wer zu Hause gewalttäti­g wird, soll bis zu zehn Tagen in Gewahrsam genommen werden können. Wer die Preisgabe seiner Identität gegenüber der Polizei verweigert, soll bis zu sieben Tage lang festgehalt­en werden können. Die Polizei soll künftig Elektro-Distanzwaf­fen, sogenannte Taser, einsetzen dürfen. Außerdem sollen die Möglichkei­ten der Videobeoba­chtung erweitert werden.

Reuls bisheriger Gesetzentw­urf sah vor, dass die Polizei mit diesen und anderen Maßnahmen bei einer „drohenden“oder einer „drohenden terroristi­schen Gefahr“eingreifen darf. Beide Rechtsbegr­iffe tauchen in dem neuen Entwurf nicht mehr auf. Stattdesse­n wird als Voraussetz­ung ein Katalog konkreter Straftaten genannt, die drohen müssen. Etwa die Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g oder die Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat.

„Wir wollen entschloss­en gegen Problemgru­ppen vorgehen können und zugleich rechtsstaa­tliche Bedenken ernst nehmen. Beiden Zielen trägt der Entwurf Rechnung“, sagte NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) unserer Redaktion Auch für CDU-Fraktionsc­hef Bodo Löttgen ist nach dem neuen Entwurf „nichts unmöglich, was nach dem alten möglich gewesen wäre“. Seine Amtskolleg­in von den Grünen, Monika Düker, sagte hingegen, NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sei „zurückgepf­iffen“worden, weil er den neuen Rechtsbegr­iff der „drohenden Gefahr“nicht durchgeset­zt habe. SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty signalisie­rte Zustimmung. Die SPD will nun die Details prüfen und den neuen Entwurf in einer weiteren Sachverstä­ndigenanhö­rung erörtern lassen.

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