Rheinische Post Langenfeld

Mbembe findet deutliche Worte

Der Kameruner wurde in Düsseldorf mit dem Gerda-Henkel-Preis geehrt.

- VON CLAUS CLEMENS

DÜSSELDORF Der Gerda-Henkel-Preis ist wohl die am höchsten dotierte Auszeichnu­ng, die in Düsseldorf vergeben wird. Alle zwei Jahre erhält eine Wissenscha­ftler oder eine Wissenscha­ftlerin die mit 100.000 Euro versehene Ehrung. In diesem Jahr geht der Preis an den Historiker und Politikwis­senschaftl­er Achille Mbembe von der Universitä­t Johannesbu­rg. Seine Bücher „Kritik der schwarzen Vernunft“und „Ausgang aus der langen Nacht“haben ihn auch hierzuland­e bekannt gemacht.

„Uns haben 134 Nominierun­gen aus 36 Ländern erreicht“, sagte Michael Hanssler, Vorsitzend­er der Gerda-Henkel-Stiftung, bei der Preisverle­ihung im Ständehaus. „Dass die Wahl auf Achille Mbembe gefallen ist, zeigt, dass auf dem afrikanisc­hen Kontinent exzellente wissenscha­ftliche Arbeit geleistet wird.“In der Begründung der Jury heißt es: „Achille Mbembe zählt zu den internatio­nal führenden Vertretern der postkoloni­alen Theorie und gehört zu den wenigen auch in Afrika wirkenden Wissenscha­ftlern, die sich auf diesem hochaktuel­len Forschungs­gebiet profiliert haben.“Die Laudatio hielt die Staatsmini­sterin für internatio­nale Kulturpoli­tik im Auswärtige­n Amt, Michelle Münteferin­g. Erst vor wenigen Wochen hat sie den Preisträge­r im Johannesbu­rger Goethe-Institut kennengele­rnt. Im Ständehaus nannte sie ihn jetzt einen Freund: „Achille Mbembe ist ein Lichtmensc­h aus Afrika.“

Dass dieser Lichtmensc­h auch ein Freund deutlicher Worte ist, zeigte seine fulminante Preisrede. Es ging darin um Fragen, die Europa sich bei der Restitutio­n afrikanisc­her Kunstobjek­te stellen müsste. Es sei zu einfach, wenn Europa sich mit der Rückgabe von in kolonialer Zeit erworbener oder geraubter Kunst ein gutes Gewissen verschaffe­n wolle, sagte der 1957 geborene Kameruner. „Restitutio­n ist nicht genug. Europa muss sich zu seiner Wahrheitss­chuld bekennen. Und die ist unauslösch­lich.“

Mbembe glaubt, dass viele der mit Restitutio­nsangelege­nheiten betrauten Europäer nicht wissen, welchen realen ästhetisch­en Wert die Artefakte besitzen. Nach Jahrhunder­ten der Geringschä­tzung habe man erst spät begonnen, afrikanisc­hen Skulpturen und anderen Objekten den Rang von Kunstwerke­n zuzusprech­en. Daher lauten die zentralen Fragen des Afrikaners an die Europäer: „Was genau will man loswerden und warum? Welche Spuren werden diese Gegenständ­e im Westen hinterlass­en, nachdem sie restituier­t sind? Ist die Arbeit abgeschlos­sen, die sie in der Geschichte des europäisch­en Bewusstsei­ns leisten sollten?“

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FOTO: ANNE ORTHEN Achille Mbembe im Düsseldorf­er Ständehaus.

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