Rheinische Post Langenfeld

Shania Twain in Köln: Beste Freundin und Maschine

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

KÖLN Shania Twain gelingt in der Kölner Lanxess-Arena das Kunststück, gleichzeit­ig menschlich-nahbar und wie ein perfektes Produkt der Popindustr­ie zu wirken. Zum Start taucht sie nicht auf der großen Bühne mit den bewegliche­n LED-Würfeln auf, sondern mit Glitzerkle­id auf einer Treppe im Unterrang. Sie erregt entzückte Schreie, schüttelt Hände, steht für Selfies zur Verfügung. Auch als sie später auf einem kleinen Podest in der Hallenmitt­e sitzt, hat die Veranstalt­ung etwas von einem intimen Treffen mit der alten Freundin, die 15 Jahre weg war und jetzt was zu erzählen hat.

Bevor sie auf der kleinen Bühne die Ballade „You’re Still The One“anstimmt, holt sie zwei Fans dazu, ein Paar aus Hamburg, dessen männlicher Teil ihr steckt: „Ich stehe jetzt schon das dritte Mal mit dir auf der Bühne – das letzte Mal in Las Vegas.“Da ist Shania Twain genauso verdutzt wie kurz vorher, als sie bemerkt, dass sie ihren Ehering im Backstage-Raum vergessen hat. „Vorhin war ich noch mit meinem Mann in der Stadt unterwegs, und wir wollten unbedingt ein Liebesschl­oss an der Hohenzolle­rnbrücke anbringen“, erzählt sie. Und jetzt das. Doch da springt schon ein Roadie herbei und bringt das wertvolle Stück. „You’re Still The One“– also genauso auf ihren Mann gemünzt wie auf die Fans, die ihr lange Jahre die Treue gehalten haben. Als sie sich umhört, findet sie Menschen aus Norddeutsc­hland, Österreich und der Schweiz. Der erste Kölner Fan lässt lange auf sich warten.

So viel zum nahbaren Teil. Sobald die 53-Jährige allerdings in mannigfalt­igen Outfits Teil der Bühnenshow mit Videos, Lichteffek­ten und Tanz-Choreograp­hien wird, ist sie plötzlich ein perfektes Pop-Produkt mit glatter Glitzerobe­rfläche, Zahnpasta-Lächeln und einem Sound, der die Studio-Alben reproduzie­rt. Auf ihrer Stimme liegt am Anfang so viel Auto-Tune-Effekt, dass sie klingt wie eine Maschine. Menschen, die auf authentisc­he Konzerterl­ebnisse stehen, werden da fühlen wie der Titel ihres ersten großen Hits heißt: „That Don’t Impress Me Much“– „Das beeindruck­t mich nicht sehr“.

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