Shania Twain in Köln: Beste Freundin und Maschine
KÖLN Shania Twain gelingt in der Kölner Lanxess-Arena das Kunststück, gleichzeitig menschlich-nahbar und wie ein perfektes Produkt der Popindustrie zu wirken. Zum Start taucht sie nicht auf der großen Bühne mit den beweglichen LED-Würfeln auf, sondern mit Glitzerkleid auf einer Treppe im Unterrang. Sie erregt entzückte Schreie, schüttelt Hände, steht für Selfies zur Verfügung. Auch als sie später auf einem kleinen Podest in der Hallenmitte sitzt, hat die Veranstaltung etwas von einem intimen Treffen mit der alten Freundin, die 15 Jahre weg war und jetzt was zu erzählen hat.
Bevor sie auf der kleinen Bühne die Ballade „You’re Still The One“anstimmt, holt sie zwei Fans dazu, ein Paar aus Hamburg, dessen männlicher Teil ihr steckt: „Ich stehe jetzt schon das dritte Mal mit dir auf der Bühne – das letzte Mal in Las Vegas.“Da ist Shania Twain genauso verdutzt wie kurz vorher, als sie bemerkt, dass sie ihren Ehering im Backstage-Raum vergessen hat. „Vorhin war ich noch mit meinem Mann in der Stadt unterwegs, und wir wollten unbedingt ein Liebesschloss an der Hohenzollernbrücke anbringen“, erzählt sie. Und jetzt das. Doch da springt schon ein Roadie herbei und bringt das wertvolle Stück. „You’re Still The One“– also genauso auf ihren Mann gemünzt wie auf die Fans, die ihr lange Jahre die Treue gehalten haben. Als sie sich umhört, findet sie Menschen aus Norddeutschland, Österreich und der Schweiz. Der erste Kölner Fan lässt lange auf sich warten.
So viel zum nahbaren Teil. Sobald die 53-Jährige allerdings in mannigfaltigen Outfits Teil der Bühnenshow mit Videos, Lichteffekten und Tanz-Choreographien wird, ist sie plötzlich ein perfektes Pop-Produkt mit glatter Glitzeroberfläche, Zahnpasta-Lächeln und einem Sound, der die Studio-Alben reproduziert. Auf ihrer Stimme liegt am Anfang so viel Auto-Tune-Effekt, dass sie klingt wie eine Maschine. Menschen, die auf authentische Konzerterlebnisse stehen, werden da fühlen wie der Titel ihres ersten großen Hits heißt: „That Don’t Impress Me Much“– „Das beeindruckt mich nicht sehr“.