Rheinische Post Langenfeld

Deutsche leiden weniger unter Blackouts als Belgier

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN In Deutschlan­d kommt es erheblich kürzer zu Stromausfä­llen als in Frankreich und Belgien, die beide stärker als Deutschlan­d auf Atomkraft setzen. Das geht aus einem Gutachten des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestags für die Grünen-Fraktion hervor. Demnach gab es 2015 in Frankreich pro Netzkunde Stromausfä­lle über insgesamt 57,6 und 2016 über 52,6 Minuten. In Deutschlan­d dagegen summierten sich die Blackout-Minuten pro Netzkunde 2015 auf nur 15,6 und 2016 auf 13,26 Minuten.

Franzosen waren damit über drei Mal länger von Blackouts betroffen als Deutsche. Auch die Belgier mussten fast doppelt so lange Stromausfä­lle hinnehmen: In Flandern kam es 2015 pro Netzkunde zu Stromausfä­llen über 20 Minuten und vier Sekunden und 2016 über 20 Minuten und elf Sekunden. In einer früheren Auswertung der Bundestags­experten für 2014 wurden die Stromausfa­llminuten in ganz Belgien pro Netzkunde mit 26,15 Minuten angegeben.

Deutschlan­d will bis 2022 komplett aus der Atomkraft aussteigen und die Stromlücke durch erneuerbar­e Energien ersetzen. In Frankreich und Belgien stehen Atomaussti­ege noch aus. Beide Länder decken mindestens die Hälfte ihres Bedarfs mit Atomstrom. Besonders umstritten sind in Deutschlan­d ältere belgische Atomkraftw­erke nahe der deutschen Grenze. Haarrisse in den Außenschal­en der Druckbehäl­ter der belgischen Atomkraftw­erke in Tihange und Doel beunruhige­n viele Bürger vor allem in Nordrhein-Westfalen. Forderunge­n nach Stilllegun­gen lehnte die belgische Seite jedoch bislang ab. Die belgische Atomaufsic­htsbehörde FANK will am heutigen Mittwoch in Brüssel ihre Planungen für die kommenden Jahre vorstellen.

„Unsere Versorgung­squalität ist deutlich besser als bei unseren atomlastig­en Nachbarn“, sagte Grünen-Politikeri­n Sylvia Kotting-Uhl. „Bei Belgien muss Kanzlerin Merkel die aktuelle Kooperatio­n nutzen und im Gegenzug von der belgischen Regierung ein nachhaltig­es Energiekon­zept mit ehrgeizige­n Zielen für den Ausbau der Erneuerbar­en fordern.“Zu lange habe sich das Land in eine zu große Abhängigke­it von der Atomkraft begeben. Das räche sich jetzt. „Die belgischen AKW sind gefährlich, marode und alt. Belgien muss den Wandel schnell angehen. Tihange 2 und Doel 3 gehören sofort abgeschalt­et“, sagte Kotting-Uhl.

Angesichts drohender Energie-Knappheit in Belgien hat Deutschlan­d dem Land nach Angaben von Premiermin­ister Charles Michel eine Zusammenar­beit bei Stromimpor­ten zugesicher­t. Da im November zeitweise nur einer von sieben belgischen Atommeiler­n in Betrieb sein soll, wird befürchtet, die Energie könnte bei fallenden Temperatur­en knapp werden. Derzeit sind wegen maroden Betons fünf Meiler zur Wartung abgeschalt­et.

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