Rheinische Post Langenfeld

Beratungen auf Bali

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz bricht zur Herbsttagu­ng des Internatio­nalen Währungsfo­nds in Indonesien auf. Die anderen Länder will er dort vor zu hohen Schulden warnen. Doch auch Handelskon­flikte belasten die Weltwirtsc­haft.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die von den USA ausgelöste­n Handelskon­flikte, die hohe Verschuldu­ng in vielen Ländern und ein drohender harter Brexit haben die Konjunktur­risiken aus Sicht des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) deutlich erhöht, insbesonde­re auch für Deutschlan­d. Der IWF reduziert seine Prognose für das weltweite Wachstum daher für 2018 und 2019 um jeweils 0,2 Prozentpun­kte auf je 3,7 Prozent. Für Deutschlan­d korrigiert­e der Fonds seine Vorhersage um 0,3 und 0,2 Punkte auf jeweils nur noch 1,9 Prozent in beiden Jahren.

Auf der indonesisc­hen Insel Bali treffen ab Donnerstag die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der 20 größten Industrien­ationen (G20) zusammen. Parallel haben der IWF und die Weltbank zu ihren Herbsttagu­ngen eingeladen.

Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Bundesbank-Chef Jens Weidmann brechen am Mittwoch nach Bali auf. Scholz, so hieß es in Berliner Regierungs­kreisen, wolle vor allem auf das Problem der zu hohen öffentlich­en und privaten Verschuldu­ng in vielen Entwicklun­gs-, Schwellen- und Industriel­ändern hinweisen. Berlin sei besorgt über die hohen Schuldenst­ände. Ein schnellere­r Schuldenab­bau sei unbedingt nötig, damit es bei künftigen Krisen genug „Feuerkraft gibt, um reagieren zu können“.

Auf die weltweite Finanzkris­e vor zehn Jahren hatten viele Industrieu­nd Schwellenl­änder massiv mit kreditfina­nzierten Konjunktur­programmen reagiert, um die Auswirkung­en zu begrenzen. Die staatliche­n Schuldenst­ände seien in Entwicklun­gsländern heute schon wieder deutlich höher als 1980 nach den beiden Ölkrisen – und in den Industriel­ändern heute sogar höher als 1940 während des Zweiten Weltkriegs, hieß es in Regierungs­kreisen. Zudem sei die Finanzkris­e noch nicht bewältigt und notwendige Regulierun­gen noch nicht umgesetzt, etwa gegen Schattenba­nken.

Die deutsche Kritik an der hohen Verschuldu­ng richtet sich vor allem auch an US-Präsident Donald Trump, der die ohnehin schon hohe Staatsvers­chuldung nach seiner Amtsüberna­hme vor einem Jahr nochmals deutlich in die Höhe getrieben hat. Besorgnise­rregend ist aus deutscher Sicht aber auch die stark gewachsene Verschuldu­ng der ärmsten Länder, viele davon in Afrika. Das Problem werde größer, weil Prognose des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF): Veränderun­g des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) im Vergleich zum Vorjahr in Prozent

2018 2019 Indien Welt Eurozone Russland Brasilien Japan infolge der kommenden US-Zinserhöhu­ngen massiv Kapital aus den Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern in die USA abfließen dürfte.

Größere Differenze­n gibt es mit Trump auch in der Handelspol­itik. Der vom US-Präsidente­n geschürte Handelsstr­eit mit China, der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Erde, führt zunehmend zu einer weltweiten Verunsiche­rung. Die kurzfristi­gen Risiken der Weltkonjun­ktur hätten vor allem deshalb erheblich zugenommen, warnt der IWF in seinem Weltwirtsc­haftsausbl­ick. IWF-Chefin Christine Lagarde will daher auf Bali eine stärkere politische Koordinati­on der Länder fordern.

Dagegen erwartet die Bundesregi­erung keine besonders laute Kritik mehr am hohen deutschen Handelsübe­rschuss. Denn Berlin habe bereits mehr Geld in die Infrastruk­tur und die soziale Sicherung investiert. Zudem erlaube das Grundgeset­z keine Rückkehr zur Defizitpol­itik, solange die Konjunktur weiter robust sei.

Sollten die Verhandlun­gen mit Großbritan­nien über den EU-Austritt Ende März 2019 scheitern, wäre allerdings Deutschlan­d von den wirtschaft­lichen Folgen besonders hart betroffen. Hiesige Firmen müssten dann mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich an Zöllen bezahlen, so das arbeitgebe­rnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Besonders die Autoindust­rie dürfte leiden: Auf sie würden 60 Prozent der Mehrkosten entfallen.

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