Rheinische Post Langenfeld

Google verschwieg Datenleck

In den vergangene­n Jahren präsentier­te sich Google als Saubermann in Sachen Cybersiche­rheit. Der Umgang mit einem Datenleck beim sozialen Netzwerk Google Plus wird für das Unternehme­n nun jedoch zum Problem.

- VON ANDREJ SOKOLOW

NEW YORK (dpa) Das Online-Netzwerk Google Plus hat jahrelang ein Datenleck gehabt: App-Entwickler konnten seit 2015 ohne Erlaubnis auf einige privaten Nutzerdate­n zugreifen. Der Internet-Riese entdeckte und schloss die Lücke im März – verschwieg das aber zunächst. Nun wird das Netzwerk für Verbrauche­r dicht gemacht. Außerdem werden allgemein die Möglichkei­ten von App-Entwickler­n eingeschrä­nkt, auf Nutzerdate­n auf Smartphone­s mit dem Google-System Android zuzugreife­n. Google Plus war 2011 als Konkurrenz zu Facebook gestartet, hatte sich aber nie durchsetze­n können.

Durch die Software-Panne hätten App-Entwickler auf den Namen, die E-Mail-Adresse sowie Informatio­nen über Beschäftig­ung, Geschlecht und Alter von Nutzern zugreifen können, räumte Google ein. Um andere Daten gehe es nicht. Zugleich kann Google den Kreis der betroffene­n Nutzer nicht genau eingrenzen. Der Fehler sei im März 2018 entdeckt und umgehend behoben worden, hieß es.

Google hat zwar keine Hinweise auf Datenmissb­rauch, aber auch nicht genug Informatio­nen aus der Vergangenh­eit, um ihn vollständi­g auszuschli­eßen. Der Konzern hatte sich im März dagegen entschiede­n, die Öffentlich­keit gleich über die Entdeckung zu informiere­n.

Der Hamburger Datenschut­z-Beauftragt­e Johannes Caspar leitete deswegen Ermittlung­en ein. „Offenbar hat Google den Vorfall bewusst verschwieg­en, damit Gras über die Sache wächst“, erklärte Caspar. „Zentrale Frage wird sein, wann die Lücke durch Google geschlosse­n wurde.“Denn die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO), die strikt vorschreib­t, Betroffene zu informiere­n, und mit Strafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsa­tzes droht, greift erst seit Ende Mai. Wenn Google allerdings die Lücke tatsächlic­h noch im März schloss, gilt dafür noch das Recht des Bundesdate­nschutzges­etzes.

Potenziell könnten Profile von bis zu 500.000 Konten bei Google Plus betroffen sein, erklärte der Internet-Konzern unter Verweis auf eine Analyse der Daten von zwei Wochen im März. Der Konzern könne aber keine weitergehe­nden Angaben machen, weil Nutzungslo­gs nur zwei Wochen lang gespeicher­t würden. Bis zu 438 Apps könnten auf die Schnittste­lle mit der Datenlücke zugegriffe­n haben, hieß es.

Google Plus werde derzeit von Verbrauche­rn kaum genutzt – und 90 Prozent der Interaktio­nen dauerten weniger als fünf Sekunden, erklärte der Konzern. Die Einstellun­g der Verbrauche­rversion solle nach einer zehnmonati­gen Übergangsz­eit Ende August kommenden Jahres abgeschlos­sen werden. Damit gesteht Google auch offiziell die bereits klare Niederlage im Wettstreit der Online-Netzwerke mit Facebook ein. Für die interne Kommunikat­ion in Unternehme­n soll Google Plus aber weiter betrieben werden.

Größere Auswirkung­en für Verbrauche­r dürften Änderungen beim Mobil-Betriebssy­stem Android haben, das auf hunderten Millionen Geräten läuft. Nutzer werden präziser bestimmen können, welche Daten sie mit einer App teilen wollen, wie Google ankündigte. Grundsätzl­ich würden weniger Apps Zugriff auf Anrufliste­n und Daten bekommen.

Außerdem werde auch der Zugriff von App-Entwickler­n auf die E-Mails in Googles GMail-Dienst stärker eingeschrä­nkt. Das „Wall Street Journal“hatte im Sommer berichtet, App-Entwickler verwendete­n zum Teil E-Mails von Nutzern, um Algorithme­n etwa für automatisc­he Antworten zu trainieren. Das hatte für Kritik gesorgt, war aber nach Darstellun­g der Beteiligte­n durch die Nutzungsbe­dingungen gedeckt.

Dem „Wall Street Journal“zufolge wiesen Googles Juristen das Top-Management nach Entdeckung der Schwachste­lle darauf hin, dass eine Offenlegun­g vermutlich „sofortiges Interesse von Regulierer­n“und Vergleiche mit dem Facebook-Datenskand­al um Cambridge Analytica auslösen würde. Ein internes Gremium habe entschiede­n, nicht an die Öffentlich­keit zu gehen, Google-Chef Sundar Pichai sei informiert gewesen. Ein Google-Sprecher sagte, ausschlagg­ebend bei solchen Entscheidu­ngen sei unter anderem, ob es Hinweise auf Missbrauch gebe und ob man betroffene Nutzer identifizi­eren könne.

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FOTO: DPA Eine Mitarbeite­rin des Bonner Hauses der Geschichte geht am Bild eines Auges vorbei, in dem sich das Google-Logo spiegelt. Die Ausstellun­g „Angst. Eine deutsche Gefühlslag­e?“beschäftig­t sich auch mit dem Thema Überwachun­g.

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