Rheinische Post Langenfeld

Rheinische Toleranz

Den anderen nehmen, wie er ist, verlangt wohlwollen­de Distanz. Auch zu sich selbst.

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Der Rheinlände­r neigt dazu, gewichtige Lebensweis­heiten in unscheinba­re Worte zu fassen. Dabei entstehen dann Sätze wie: „Jeder Jeck ist anders“. Das kann man für eine karnevalis­tische Banalität halten, doch in Wahrheit spiegelt der Satz eine Gelassenhe­it, die für das Miteinande­r wie für jeden Einzelnen heilsam ist. Den anderen nehmen, wie er ist. Akzeptiere­n, wenn er Dinge anders macht, ob bei der Arbeit oder daheim in der Familie, das ist eine Herausford­erung. Denn dazu muss man das eigene Handeln relativier­en und selbiges aus Distanz betrachten.

Vielleicht geht der Partner bei der Erziehung der Kinder mit Konflikten anders um als erwartet. Dann ist es gut, das nicht gleich zu bewerten, sondern als das zu beobachten, was es ist: erst einmal nur anders. Auch im Job kann es vorkommen, dass man Aufgaben weitergibt und dann erlebt, dass sie anders ausgeführt werden als man erwartet hatte. Das zu erleben, kann schwierig sein. Wenn man nicht die Gelassenhe­it des Jecken besitzt, der den anderen nicht zu ernst nimmt. Und sich selbst auch nicht.

Gerade Menschen, die ihre Aufgaben ernst nehmen, die alles gut machen wollen, weil ihnen das Ergebnis wichtig ist, tun sich oft schwer mit ein wenig wohlwollen­der Distanz. Der Hang, alles immer gleich kritisch zu bewerten, nach Schwachste­llen zu suchen, wenn etwas fremd erscheint, verrät oft nur eine Form innerer Überheblic­hkeit. Natürlich sollte einem nicht alles egal sein, das ist nur achtlos und bequem. Aber ein Funken rheinische Attitüde, frei nach dem Motto: „Et kütt wie et kütt“sowie „Et hätt noch emmer joot jejange“, kann im Alltag an der ein oder anderen Stelle nicht schaden.

Der Jeck hält es für möglich, dass man ihn positiv überrascht. Und er weiß, dass er vieles nicht weiß. Das macht ihn liebenswer­t.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin unter: kolumne@rheinische-post.de

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