Deutschlands Lücken im Haushalt
Der deutsche Staat hält Aktienanteile an der Telekom und der Post und besitzt auch sonst viele andere Beteiligungen. Trotzdem zeigt ein neuer Vergleich: Das deutsche Gemeinwesen steht finanziell schlechter da als viele andere Staaten.
WASHINGTON/BERLIN Der deutsche Staat steht finanziell gesehen schlechter da als Länder wie Uganda oder Kenia. Das zeigt eine neue Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF), die das sogenannte Staatsvermögen ermittelt hat, also im Falle Deutschland das Vermögen des Landes inklusive Sozialkassen, Gemeinden oder auch Bundesbank und staatlichen Unternehmen wie den Sparkassen. Demnach liegt Deutschland bei einem Vergleich des Nettovermögens von 31 ausgewählten Ländern auf dem siebtschlechtesten Platz. Selbst Uganda und Kenia haben gemessen an der Wirtschaftskraft ein höheres Staatsvermögen, erst recht die USA, Finnland oder auch Kanada.
Denn obwohl hierzulande Ersparnisse, Geldanlagen oder auch Beteiligungen des Gemeinwesens fast 200 Prozent des jährlichen Bruttosozialproduktes ausmachen, belasten umso höhere Verbindlichkeiten die Kassen des Bundes, der Länder und der Gemeinden: So liegt der Wert künftiger Beamtenpensionen bei knapp 40 Prozent des Bruttosozialproduktes – Japan, Indien oder Kanada haben hier deutlich weniger Verpflichtungen, Großbritannien oder auch Österreich müssen hingegen laut IWF relativ gesehen für noch mehr Pensionen vorsorgen.
Weitere Verpflichtungen, wie etwa die Bedienung der Staatsschulden, liegen bei fast 190 Prozent des Bruttosozialproduktes. Nur wenige Länder wie Portugal oder Japan kommen in der Vergleichsgruppe auf höhere Werte, wobei allerdings besonders unsolide Länder wie Griechenland und Italien in der Untersuchung nicht vorkommen.
In Summe kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass Deutschland nach Abzug aller staatlichen Werte mit 19,6 Prozent seiner Wirtschaftskraft verschuldet ist. Unter den 31 untersuchten Ländern stehen nur Portugal (135 Prozent), Großbritannien (125 Prozent), Frankreich (42 Prozent) und Österreich (40 Prozent) noch schlechter da. Hinzu kommen die Entwicklungsländer Gambia und El Salvador.
Wie reich eine Gemeinschaft dagegen sein kann, zeigen Norwegen und Australien. Australien kommt auf ein Staatsvermögen des 2,6-fachen der jährlichen Wirtschaftsleistung. Das Vermögen von Norwegen schätzt der Weltwährungsfonds auf das Vierfache des jährlichen Bruttosozialproduktes. Woher diese Vermögen kommen, ist klar: Beide Länder verfügen über große Rohstoffvorkommen. Norwegen hat mit seinen nur 5,2 Millionen Einwohnern sehr große Gas- und Ölvorkommen vor seiner Küste liegen, die der vom Staat dominierte Konzern Equinor (früher Statoil) fördert. Und das Land spart einen großen Teil der jährlichen Einnahmen im norwegischen Staatsfonds an, der sein Vermögen weltweit in Aktien investiert. Mittlerweile kommt der Fonds auf ein Vermögen von 900 Milliarden Euro – das reicht, um für jeden Bürger eine Rentenrücklage von 170.000 Euro zu bilden.
Die Studie macht allerdings auch darauf aufmerksam, dass das aktuelle staatliche Vermögen beziehungsweise die entsprechenden Nettoschulden nur einen Teil der wirtschaftlichen Stärke eines Landes ausmachen. So spielen die künftig zu erwartenden Steuern und Sozialabgaben keine Rolle bei dem Vergleich, obwohl Deutschland deutlich höhere Einnahmen von seinen Bürgern und Unternehmen hat als viele andere Staaten. Die Forscher rechnen damit, dass Deutschland bis 2023 die reinen Staatsschulden um mehr als zehn Prozentpunkte senken wird, weil die sprudelnden Steuereinnahmen Bund, Ländern und Gemeinden einen langsamen Schuldenabbau erlauben und die hohen Sozialbeiträge den Sozialkassen noch einige Jahre helfen.