Rheinische Post Langenfeld

Rom muss Brüssel Zahlen liefern

Die italienisc­he Regierung weigert sich, den Vorgaben der EU zum Schuldenab­bau nachzukomm­en.

- VON ALMUT SIEFERT UND MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Die ausufernde italienisc­he Staatsvers­chuldung ist derzeit der Hauptstrei­tpunkt zwischen der EU und Rom. Eigentlich musste die italienisc­he Regierung am 15. Oktober bei der EU-Kommission die Pläne für den Haushalt 2019 einreichen. Die Frist ist in der Nacht abgelaufen, aber das italienisc­he Kabinett will nach Angaben von Vizepremie­r Matteo Salvini erst am Dienstag die Pläne genehmigen.

Was steht im Entwurf?

Die Regierung in Rom will den Sparkurs verlassen. Für das Jahr 2019 plant sie eine Neuverschu­ldung im Umfang von 2,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Die sozialdemo­kratische Vorgängerr­egierung hatte gegenüber der Kommission noch 0,8 Prozent bis 2019 versproche­n. Die neue Regierung hat auf breite Kritik inzwischen reagiert und angekündig­t, 2020 bei 2,1 Prozent und 2021 bei 1,8 Prozent zu landen.

Wieso ist der Entwurf ein Problem?

Der italienisc­he Staat verstößt zwar nicht bei der Neuverschu­ldung gegen das Stabilität­skriterium von drei Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung. Problemati­sch ist vielmehr die Staatsvers­chuldung von insgesamt 130 Prozent der Wirtschaft­sleistung des Landes. Italiens Staatsvers­chuldung ist damit seit Langem ein Risiko für die wirtschaft­liche Stabilität der Euro-Zone.

Was will die italienisc­he Regierung mit dem Haushaltsd­efizit erreichen?

Nach eigenen Angaben will die Regierung in Rom mit ihrem Haushaltsp­lan das Wachstum Italiens ankurbeln. Beide Regierungs­parteien, die Fünf-Sterne-Bewegung auf der einen und die rechte Lega auf der anderen Seite, wollen schnellstm­öglich ihre Wahlverspr­echen in die Tat umsetzen. Die Fünf-Sterne-Bewegung pocht auf die Einführung eines sogenannte­n Bürgereink­ommens, das in etwa dem Hartz-IV-System in Deutschlan­d entspreche­n würde. Die Lega hatte ihren Wähler drastische Steuersenk­ungen versproche­n.

Wird Italien stur bleiben?

Anscheinen­d. „In sechs Monaten ist Europa sowieso am Ende“, sagte Vizepremie­r Luigi Di Maio vor wenigen Tagen. Damit spielt er auf die Europawahl Ende Mai an. Ein Triumph der Populisten in den EU-Ländern werde dann dafür sorgen, dass die strikten Sparvorgab­en schon am Tag nach der Wahl passé sein werden, glaubt der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung.

Wie wird die Antwort aus Brüssel lauten?

Da rasen gerade zwei Züge aufeinande­r los. Die Kommission wird binnen einer Woche Italien auffordern, „Klarstellu­ngen“nachzulief­ern. Vermutlich werden sie aber nicht zufriedens­tellend ausfallen, dann wird die Kommission Italien auffordern, einen neuen Haushaltsp­lan zu schicken, der mit den EU-Zielen übereinsti­mmt. Schon dies bedeutet eine bislang nie dagewesene Eskalation: Bislang musste kein Mitgliedst­aat jemals eine zweite Version liefern. Ende November soll in der Theorie alles abgeschlos­sen sein. Angesichts der Äußerungen aus Italien erscheint dies als wenig wahrschein­lich. Sanktionen sind, wenn überhaupt, zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt vorgesehen.

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