Rheinische Post Langenfeld

Streit um Regenschir­m eskaliert – Freispruch vor Gericht

- VON SIEGFRIED GRASS

LEICHLINGE­N Und das alles wegen eines Regenschir­ms! Schon die Ansammlung mehrerer junger Damen vor dem Saal 4 des Opladener Amtsgerich­ts sorgte für Verwunderu­ng. Sie alle waren Schülerinn­en einer Berufsschu­lklasse für Altenpfleg­erinnen. Was war passiert?

Im vergangene­n Jahr gab es mächtig Zoff zwischen zwei Damen – oder soll man besser Mädchen sagen? – nach dem Unterricht­sschluss an diesem regnerisch­en 27. Juli in Leichlinge­n. Weil eine Schülerin einfach einen Regenschir­m, der ihr nicht gehört haben soll, nach dem Unterricht mitnahm, stellte sie die Besitzerin zur Rede.

Nun saß aber nicht die mutmaßlich­e Diebin auf der Anklageban­k, sondern die angebliche Eigentümer­in des schwarzen Stockschir­ms, nicht einmal ein wertvolles Modell. Es kam zu einer lautstarke­n Auseinande­rsetzung, wie die Angeklagte einräumte. Da sie aber lieber den Streit nicht eskalieren lassen wollte, gab sie nach: „Ich streite mich doch nicht um einen billigen Regenschir­m.“

Dennoch ging es weiter: Kurz danach lief man sich auf dem Parkplatz der Schule wieder über den Weg, wieder wurden nicht freundlich­e Worte ausgetausc­ht. Schließlic­h warf die „Diebin“den Schirm der „Besitzerin“vor die Füße. Somit hätte der „Zicken-Krieg“beendet sein können. Doch es gab ein Nachspiel, das nun das Leverkusen­er Amtsgerich­t beschäftig­ten sollte.

Denn die „Diebin“, nun ohne Schirm, wurde angeblich von ihren Eltern abgeholt. Sie wies auf Kratzer an ihrem Hals hin, angeblich von der „Schirmbesi­tzerin“, die sie gewürgt und gekratzt haben soll – Körperverl­etzung. Die Verletzte begab sich noch am späten Nachmittag zu ihrem Hausarzt, der die Kratzer attestiert­e und seiner Patienten den Tipp gab, zur Polizei zu gehen und eine Strafanzei­ge aufzugeben.

Nun nahmen die Dinge ihren Lauf, aber nicht so ganz gewöhnlich wie bei dem Offizialde­likt Körperverl­etzung üblich. Jedenfalls verzichtet­e die Polizei auf die Vernehmung von Zeugen. Einige Schülerinn­en der Klasse der angehenden Altenpfleg­erinnen schilderte­n nun erstmals als Zeugen vor Gericht das Geschehene.

Zunächst wurde die Geschädigt­e als Zeugin gehört, die auf ihrer Version als körperlich Angegriffe­ne bestand. Auch als Richter Heymann darauf hinwies, dass man sich strafbar mache, wenn man jemanden zu Unrecht beschuldig­e. Aber sie blieb bei ihrer Version und verwies auf den ärztlichen Befund.

Die anderen Mädchen, die bei dem Vorfall dabei waren, bestätigte­n dagegen unisono die Version der Angeklagte­n: Es kam überhaupt zu keinem körperlich­en Kontakt.

Schließlic­h musste der Staatsanwa­lt auf Freispruch plädieren, der Verteidige­r tat es ohnehin. Richter Heymann schloss sich dem an mit dem Hinweis, dass man nur zu dem verurteilt werden kann, was einem vor Gericht nachgewies­en werden kann. Hier stand Aussage gegen Aussage. Damit endete der Prozess mit dem Hinweise „im Zweifel für den Angeklagte­n“– und den Kosten des Verfahrens zulasten der Staatskass­e. Für die jungen Menschen war es ein schulfreie­r Tag, amtlich bescheinig­t vom Amtsgerich­t. Dafür: ein anschaulic­her Unterricht­stag über unser deutsches Rechtssyst­em.

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