Rheinische Post Langenfeld

Kathedrale­n im Kölner Untergrund

Barbara Schock-Werner und Fotograf Maurice Cox werfen ihren ganz eigenen Blick auf die 40 U-Bahn-Stationen der Stadt. Jede der unterirdis­chen Haltestell­en hat ihren ganz eigenen Charakter und Esprit.

- VON STEPHAN EPPINGER

KÖLN Die meisten Menschen nutzen sie beim Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen mehrmals täglich. Doch kaum einer würdigt die Kölner U-Bahnhöfe – da fällt der schnelle Blick nur auf die Anzeigetaf­eln, auf die mehr oder weniger funktionie­renden Rolltreppe­n oder auf die oft überfüllte­n Bahnen. Für manchen sind die Stationen nur dreckige Unorte, für andere Tempel des schnellen Transits durch die Großstadt. Sie werden meist durcheilt, der längere Aufendhalt passiert in der Regel eher unfreiwill­ig, weil die nächste Bahn auf sich warten lässt.

Auch die frühere Dombaumeis­terin Barbara Schock-Werner hatte die unterirdis­chen Verkehrsst­ationen lange nicht in ihrem mit umfangreic­hen architekto­nischen Wissen

„Als ich ausgestieg­en bin, dachte ich, was für eine tolle Haltestell­e“

Barbara Schock-Werner frühere Dombaumeis­terin

ausgestatt­etem Blickfeld. „Solange ich im Dienst war, habe ich mich eher auf die Mitte der Stadt konzentrie­rt. Aber irgendwann habe ich mir ab und zu etwas Wellness gegönnt und bin mit der UBahn zum Neptunbad nach Ehrenfeld gefahren. Als ich ausgestieg­en bin, dachte ich, was ist das für eine tolle Haltestell­e. In Paris, London und Budapest war ich viel mit der UBahn unterwegs, ich Köln war das lange nicht der Fall. Die Stationen sind Orte, die einem vertraut sind, die man aber wahrnimmt, ohne sie wirklich zu sehen. Das hat sich jetzt für mich grundlegen­d geändert“, sagt die Kunsthisto­rikerin und Architekti­n.

So entstehen Kolumnen und auch der WDR wird auch die neue LeiWürde denschaft der früheren Dombaumeis­terin aufmerksam. „Schade war nur, dass man so nur zwei oder drei Haltestell­en vorstellen konnte. Ich wollte aber alle 40 präsentier­en. So kam die Idee zum Buch, für das ich den Greven Verlag angesproch­en habe. Dort war man zunächst skeptisch. Heute ist man für das Projekt aber Feuer und Flamme.“

Barbara Schock-Werners Lieblingss­tation ist die der Linien 3 und 4 an der Äußeren Kanalstraß­e. „Diese Station ist einfach genial und unglaublic­h gut gemacht. Zunächst wirkt sie etwa düster, dann entfaltet sie ihre volle Pracht.“Dass diese auch im neuen Buch „Linienführ­ung. Die Kölner U-Bahn-Stationen“, das gerade erschienen ist, sichtbar wird, dafür sorgt der Fotograf Maurice Cox, der schon in der dritten Generation in seinem Beruf arbeitet und der sein Atelier am Klüngelpüt­z 29 hat, wo schon die Fotowerkst­ätte Hugo Schmölz beheimatet war.

Mit einer Spezialkam­era macht er im menschenle­eren Kölner Untergrund seine Aufnahmen, die sich oft aus mehreren Bildern zusammenfü­gen und die vor allem im extremen Breitforma­t voll überzeugen können. „Die Bilder sind als Erklärunge­n gedacht. Sie zeigen bekannte Orte aus einer neuen Perspektiv­e wie zum Beispiel den U-Bahnhof Appellhofp­latz, der so eine neue und Ästhetik bekommt. Die Kamera ermöglicht Aufnahmen, die sehr nahe an den menschlich­en Sehgewohnh­eiten sind. Gerade durch die Farben und Formen bekommen diese Bilder ihre besondere Erhabenhei­t“, schwärmt Verleger Damian van Melis.

Die Orte der Massenbewe­gung in Köln haben alle ihre ganz eigene Gestaltung und sind alle mit Grips und Esprit gebaute Kunstwerke – mal klassisch mit den Kachel-Künsten der 70er Jahre, mal wie die Zwischeneb­ene unter dem Heumarkt in ihrer Größe und Höhe fast schon mit einer Kathedrale vergleichb­ar. Genau vor 50 Jahren ging die erste Kölner U-Bahn in Betrieb.

Die Autorin hat zu jeder Haltestell­e Recherchen betrieben und in Erfahrung gebracht, wie diese aus dem Zusammensp­iel namhafter Architekte­n und Künstler entstanden sind. Zu jeder Station hat sich Schock-Werner ein kritisches Urteil gebildet, das in ihre Texte eingefloss­en ist. „Mit den Texten und den Bildern wollen wir diese unauffälli­gen Orte, die eigentlich zur Stärke der Stadt gehören, wieder ins Bewusstsei­n der Menschen zurückhole­n und so in den Fokus der Aufmerksam­keit rücken“, sagt van Melis

Barbara Schock-Werner/Maurice Cox: „Linienführ­ung. Die Kölner U-Bahn-Stationen, Greven-Verlag, 192 Seiten, 35 Euro

 ?? FOTO: MAURICE COX ?? Die Haltestell­e „Äußere Kanalstraß­e“ist der Favorit von Autorin Barbara Schock-Werner, die alle 40 U-Bahnhöfe porträtier­t hat. Aufgenomme­n hat die unterirdis­chen Haltestell­en der Fotograf Maurice Cox. Für die Querformat­e gibt es zu jeder Station ausklappba­re Seiten.
FOTO: MAURICE COX Die Haltestell­e „Äußere Kanalstraß­e“ist der Favorit von Autorin Barbara Schock-Werner, die alle 40 U-Bahnhöfe porträtier­t hat. Aufgenomme­n hat die unterirdis­chen Haltestell­en der Fotograf Maurice Cox. Für die Querformat­e gibt es zu jeder Station ausklappba­re Seiten.

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