Rheinische Post Langenfeld

Alle Augen auf NRW

Für die CDU ist es ein historisch­es Ereignis: der Wettbewerb um den Vorsitz. Maßgeblich für den Ausgang sind die Landesverb­ände und die Parteivere­inigungen. Der Königsmach­er Armin Laschet steckt in einem Dilemma.

- VON K. BIALDIGA, M. KESSLER UND E. QUADBECK RP-KARIKATUR: NIK EBERT

Der Applaus im Parteivors­tand ist noch keine Vorentsche­idung in der Frage, wer beim Parteitag Anfang Dezember den Vorsitz der CDU und damit wahrschein­lich auch die nächste Kanzlerkan­didatur übernimmt. Ginge es aber danach, hätte Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r die besseren Karten. Nachdem Angela Merkel am Montagmorg­en zur Überraschu­ng der Parteiführ­ung angekündig­t hat, im Dezember nicht erneut als Parteivors­itzende anzutreten, kann sich Kramp-Karrenbaue­r zuerst äußern und ihren Hut in den Ring werfen. Sie spricht von der Erneuerung der Partei und bekommt viel Applaus. Erst deutlich später ist Jens Spahn an der Reihe, dem nach Teilnehmer­angaben anzumerken ist, dass er auf diese

Situation an diesem Tag nicht vorbereite­t ist. Er gibt seine Kandidatur eher beiläufig bekannt mit dem Hinweis, er wolle am „fairen Wettbewerb“teilnehmen, und wird mit weniger Beifall bedacht.

Während Kramp-Karrenbaue­r und Spahn ihr Duell beim Parteitag im Vorstand ankündigen, läuft noch ein dritter Name über Agenturen und Online-Medien: Friedrich Merz, der frühere Unionsfrak­tionschef, lässt sich aus seinem Umfeld zitieren, auch er stehe zur Kandidatur bereit, wenn die Partei ihn denn wolle.

Viele Vorstandsm­itglieder wirken regelrecht überrumpel­t. NRW-Landeschef Armin Laschet äußert sich leicht verärgert, dass sich das Kandidaten-Karussell nun schon drehe. Die nordrhein-westfälisc­he CDU will sich nun am 6. November positionie­ren, wie Laschet am Nachmittag bekannt gibt. Er mahnt, man müsse erst einmal über Inhalte sprechen und wie sich der Charakter der CDU als Volksparte­i erhalten lasse. Laschet reklamiert seine Rolle als Königsmach­er und kündigt Gespräche mit allen Landesverb­änden, Parteivere­inigungen und den Kandidaten an. Später sagte er beim Wirtschaft­srat der NRW-CDU in Düsseldorf: „Ich muss die verschiede­nen Teile der Partei zusammenha­lten.“Er wolle auch ein paar Tage nachdenken. „Man muss nicht gleich ,Hier!’ rufen.“

Laschet galt bislang als möglicher Nachfolger, schließlic­h ist er NRW-Ministerpr­äsident und Chef des mitglieder­stärksten Landesverb­andes. Am Montag schließt er eine eigene Kandidatur nicht kategorisc­h aus. Er scheut aber das Risiko. „Wenn Armin Laschet als Bundesvors­itzender kandidiere­n würde und kein gutes Ergebnis erzielte, wäre er auch als Ministerpr­äsident geschwächt“, sagte ein Parteifreu­nd.

Maßgeblich für den Ausgang der Kampfkandi­datur um den Parteivors­itz ist die Positionie­rung der Landesgrup­pen und der Parteivere­inigungen der Union. Während sich die Frauen-Union klar hinter die Kandidatur Kramp-Karrenbaue­rs stellt, gilt der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, als Befürworte­r Spahns. Auch der Wirtschaft­sflügel dürfte Spahn unterstütz­en, während „AKK“wiederum ihre Truppen im Arbeitnehm­erflügel sammeln könnte. Vor der überrasche­nden Rückzugsan­kündigung der Kanzlerin als Parteichef­in schätzten viele das Verhältnis der Zustimmung in der Partei für Kramp-Karrenbaue­r und Spahn mit zwei Drittel zu einem Drittel ein. Doch das kann sich noch ändern.

Viele Augen sind auf NRW gerichtet – für den Königsmach­er Laschet ein Dilemma. Politisch verbindet den Ministerpr­äsidenten mehr mit Kramp-Karrenbaue­r. Doch als Vertraute Merkels und Saarländer­in wird sie nach Einschätzu­ng von CDU-Landespoli­tikern nicht so viel Unterstütz­ung der NRW-CDU bekommen. Der Landesverb­and Nordrhein-Westfalen gilt als Querschnit­t der Partei, der die vielfältig­en Meinungen widerspieg­elt.

Spahn wiederum vertritt Positionen etwa in der Flüchtling­spolitik, die Laschet nicht teilt. Manche in der Partei halten es für einen besonders geschickte­n Schachzug Laschets, dass es mit Friedrich Merz einen dritten potenziell­en Kandidaten gibt. Über den Vorstoß von Merz am Montag war Laschet nach eigener Aussage nicht informiert. Allerdings hatte er in den Tagen zuvor mit ihm intensiv gesprochen – über den Zustand der Partei, die Konsequenz­en eines schlechten Abschneide­ns der CDU in Hessen und über eine mögliche Rückkehr von Merz.

Als Aufsichtsr­atschef des Vermögensv­erwalters Blackrock vertritt Merz wirtschaft­sliberale Positionen. Sollte er tatsächlic­h antreten, könnte das den konservati­ven und den wirtschaft­sliberalen Flügel auseinande­rtreiben. Das wäre ein Vorteil für die Generalsek­retärin.

„Merz hätte sehr gute Chancen“, heißt es dennoch in Parteikrei­sen in Nordrhein-Westfalen. Manch einem Landespoli­tiker sei er näher als Spahn. „Die geringste Unterstütz­ung aus Nordrhein-Westfalen hätte wahrschein­lich Kramp-Karrenbaue­r“, heißt es weiter. Wer auch immer am Ende Parteivors­itzender werde, eines sei klar: „Wenn es zur Kandidatur dieser drei kommt, wird es in der Partei ein Hauen und Stechen geben.“

Vom Erfolg Kramp-Karrenbaue­rs hängt zudem ab, wie stark künftig Laschets Position in der Bundes-CDU sein wird. Der Ministerpr­äsident hatte Merkel stets in Fragen der Flüchtling­s- und Europapoli­tik die Treue gehalten. Als NRW-Integratio­nsminister trug er sogar den Spitznamen „Türken-Armin“– wegen seiner christlich geprägten Offenheit gegenüber Migranten und Flüchtling­en.

Wie sich die übrigen Landesverb­ände im Kampf um den Parteivors­itz positionie­ren, ist meistentei­ls noch offen. Klar hinter Kramp-Karrenbaue­r haben sich bereits die Saarländer gestellt, die aber keine relevante Masse auf einem Parteitag einbringen können. Auch die Ministerpr­äsidenten von Schleswig-Holstein und Hessen, Daniel Günther und Volker Bouffier, gelten als Befürworte­r von „AKK“. Der mitglieder­starke Landesverb­and Baden-Württember­g könnte sich für Spahn oder Merz ausspreche­n. Es gibt sogar Hinweise, wonach die süddeutsch­e Parteiglie­derung der Kanzlerin in der Nacht zu Montag die Unterstütz­ung entzogen hat. „Die haben den Stecker gezogen“, meinte ein prominente­r Christdemo­krat.

Auch in Ostdeutsch­land finden sich Landeschef­s, die Merkels Flüchtling­spolitik kritisch sehen und sich auch angesichts ihrer nahenden Wahlen ein Gegenmodel­l wünschen, beispielsw­eise Michael Kretschmer in Sachsen und Mike Mohring in Thüringen.

Bei der Entscheidu­ng wird allerdings auch eine Rolle spielen, wie der oder die künftige Vorsitzend­e mit Merkel umgeht. Die Kanzlerin selbst war klug genug, keine Empfehlung auszusprec­hen. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass Kramp-Karrenbaue­r ihre Favoritin ist. Mit „AKK“als Parteichef­in könnte Merkel als Kanzlerin wohl am besten zusammenar­beiten. Sie ist ihr von allen Kandidaten politisch und persönlich am nächsten. Ein Sieg ihres Kritikers Spahn oder ihres früheren Widersache­rs Merz könnte ein frühzeitig­es Aus der Regierung und eine Neuwahl bedeuten.

Der Landesverb­and NRW gilt als Querschnit­t der Partei mit ihren vielfältig­en Meinungen

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