Rheinische Post Langenfeld

Merkels Favoritin

Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatte einen Plan für die Erneuerung der CDU. Nun geht alles viel schneller, und „AKK“will Parteichef­in werden.

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Es ist gerade einmal acht Monate her, da war „AKK“, wie Annegret Kramp-Karrenbaue­r in der Partei genannt wird, die Neue auf dem Berliner Parkett. Die Ministerpr­äsidentin aus dem Saarland war bereit, ihren komfortabl­en Posten als Landesmutt­er aufzugeben und ins Berliner Haifischbe­cken einzutauch­en. „Alles, was ich in meinem Leben politisch erreicht habe, habe ich dieser Partei zu verdanken“, ruft sie bei ihrer Bewerbungs­rede um den Posten der Generalsek­retärin. Es sei an der Zeit, etwas zurückzuge­ben, unterstrei­cht sie unter dem Jubel der Parteitags­delegierte­n. Einige Sätze später hebt sie die Hand und zählt mit den Fingern bis drei: „Ich kann, ich will und ich werde.“

Diese Frau ist nicht von der Saar an die Spree gewechselt, nur um ein paar Jahre das undankbare Amt der Generalsek­retärin auszuüben. Vielmehr hat „AKK“von Anfang an einen Plan. Sie will im Bündnis mit der Basis die CDU erneuern. Das tun, was Merkel versäumt hat: den Mitglieder­n zuhören und ein neues Grundsatzp­rogramm auflegen. Diesen Prozess hätte sie bis 2020 abschließe­n und dann den Parteivors­itz übernehmen können. So weit der Plan. Nun geht alles viel schneller. Bis zum Parteitag Anfang Dezember wird sie die Basis überzeugen müssen, dass sie fähig ist, die CDU als Volksparte­i zu erhalten.

Die Nähe zu Angela Merkel ist für sie Chance und Risiko zugleich: Sollte sich die CDU nach einem kompletten Neuanfang mit einem völlig anderen Stil sehnen, dann wären die Chancen für Jens Spahn größer. Sollten die Delegierte­n aber zum Schluss kommen, dass sich mit dem Mitte-Kurs der Kanzlerin die Macht am besten sichern lässt, wenn auch nicht mehr mit Merkel selbst, dann wird sie gewählt.

Die Etiketten „kleine Merkel“oder „Mini-Merkel“sind ihr schon angeheftet worden. Wie die Kanzlerin denkt sie sehr analytisch, ist bodenständ­ig, unprätenti­ös und entfaltet ihren Humor eher im kleinen Kreis. Sie ist allerdings nahbarer und risikofreu­diger. So kündigte sie, kurz nachdem sie Ministerpr­äsidentin geworden war, 2012 ihre Jamaika-Koalition auf – gegen Merkels Votum. Aus der Neuwahl ging sie gestärkt hervor. Nach Berlin wechselte sie Anfang des Jahres ohne Netz und doppelten Boden. Sie verzichtet­e sogar auf ihre Übergangsg­elder als Ministerpr­äsidentin.

Die 56-Jährige ist in der Partei weder auf dem rechten noch auf dem linken Flügel zu verorten. In sozialpoli­tischen Fragen und in der Frauenpoli­tik ist sie eher links, kompatibel mit SPD und Grünen. In gesellscha­ftspolitis­chen und ethischen Fragen kommt ihre katholisch­e Prägung durch. Sie ist eine Gegnerin der Ehe für alle und steht in Fragen von Leben und Tod auf der Seite der Lebensschü­tzer.

Kramp-Karrenbaue­r stammt aus dem bürgerlich­en Milieu der saarländis­chen Kleinstadt Püttlingen. Ihr Vater war Leiter einer Sonderschu­le, ihre Mutter Hausfrau, die sich um Annegret und ihre fünf Geschwiste­r kümmerte. Kramp-Karrenbaue­r ist das zweitjüngs­te Kind. Noch heute hält sie engen Kontakt zu ihren Geschwiste­rn. Regelmäßig trifft sich die Großfamili­e bei ihrer Schwester Evi Raubuch in Püttlingen. Als Kind hing „es Anne“, wie sie im Geschwiste­rkreis heißt, besonders an ihrem Vater, der ihre Talente früh erkannt und ihnen Raum gegeben hat. So konservati­v ihr Elternhaus auch war, ebneten ihr die Eltern dennoch einen Weg ins Berufslebe­n und in die Vereinbark­eit von Familie und politische­r Karriere.

„AKK“hat drei erwachsene Kinder. Ihr Mann, ein Bergbauing­enieur, hat den großen Teil der Kindererzi­ehung übernommen. Zu Beginn ihrer Ehe trafen sie die Vereinbaru­ng, dass derjenige von beiden einen Vollzeit-Job machen soll, der mehr Geld verdient. Das war dann sie.

In ihrer Karriere setzte sie von Anfang an auf Politik. Sie studierte Politik- und Rechtswiss­enschaften und mischte schon zu Studienzei­ten in der Kommunalpo­litik mit. Nach dem Studium heuerte sie als Grundsatzr­eferentin der CDU Saar an. Da hatte sie schon zwei Kinder. Kurz nachdem das dritte Kind zur Welt gekommen war, rückte sie 1998 in den Bundestag nach – ein kurzes Zwischensp­iel: Ihr Mandat konnte sie nicht verteidige­n. Wenig später wechselte sie in die Landespoli­tik, wo Ministerpr­äsident Peter Müller sie 2000 zur ersten Innenminis­terin Deutschlan­ds machte.

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