Rheinische Post Langenfeld

„Wir müssen innehalten“

Am Montag hielt die Bundeskanz­lerin eine ihrer wichtigste­n Reden.

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BERLIN (RP) „Bundespoli­tisch können wir nach dieser Wahl in Hessen, nach der Landtagswa­hl in Bayern, nach den Verwerfung­en zwischen CDU und CSU im Sommer, nach der quälend langen Regierungs­bildung, nach dem vorausgega­ngenen Scheitern der Bemühungen, eine Regierung von CDU, CSU, FDP und Grünen zu bilden, nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen.

Ich bin überzeugt: Wir müssen innehalten. Ich jedenfalls tue das. Und ich wünsche mir, dass wir den gestrigen Wahltag als Zäsur nehmen, dass wir alles auf den Prüfstand stellen, was wir spätestens seit der Bundestags­wahl bis heute gesagt und getan haben. Und dann könnte in einer solchen Zäsur auch eine Chance liegen für die Volksparte­ien CDU, CSU und SPD, für alle demokratis­chen Parteien unseres Landes – zu klären, was dem inneren Frieden dient, was dem Zusammenha­lt des Landes dient und was eben nicht. (...)

Wenn die Menschen uns also ins Stammbuch schreiben, was sie von den Vorgängen mit der Regierungs­bildung auf der Bundeseben­e und von der Arbeit der Bundesregi­erung in den ersten sieben Monaten halten, dann ist das ein deutliches Signal, dass es so nicht weitergehe­n kann. Das Bild, das die Regierung abgibt, ist inakzeptab­el. Ihre in weiten Teilen sehr ordentlich­e Sacharbeit hatte bislang überhaupt keine Chance, wahrgenomm­en zu werden. Und das hat tiefere Ursachen als nur kommunikat­ive. Ich rede hier wirklich nicht allein, wie es so schön heißt, über ein Vermittlun­gsproblem.

Ich rede über eine Arbeitskul­tur. Ich rede darüber, dass es eigentlich ein Treppenwit­z der Geschichte wäre, wenn man schon nach gut sechs Monaten den Stab über diese Bundesregi­erung brechen müsste, nur weil sie sich nicht in der Lage sieht, so zu arbeiten, dass es die Menschen nicht abstößt. Und darauf gilt es sich zu konzentrie­ren. (...)

Ich habe mir immer gewünscht und vorgenomme­n, meine staatspoli­tischen und parteipoli­tischen Ämter in Würde zu tragen und sie eines Tages auch in Würde zu verlassen. Zugleich weiß ich, dass so etwas in einer politische­n Ordnung nicht gleichsam am Reißbrett geplant werden kann. Sondern dass das nur in einer fortwähren­den persönlich­en Abwägung von Freiheit und Verantwort­ung wie auch in enger Abstimmung mit meiner Partei und zwischen den Koalitions­partnern einer Bundesregi­erung zu geschehen hat. (...)

Welchen Beitrag kann ich also persönlich in der jetzigen Situation leisten für unser Land und für meine Partei? Ich bin seit nunmehr über 18 Jahren Vorsitzend­e der CDU Deutschlan­ds. Eine Aufgabe, die ich mit Leidenscha­ft und Hingabe versuche auszufülle­n. Und seit fast genau 13 Jahren bin ich Bundeskanz­lerin der Bundesrepu­blik Deutschlan­d. Ein Amt, das auszufülle­n eine tägliche Ehre und Herausford­erung ist. (...)

Ich habe mal gesagt: Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren. Und das habe ich auch nie vergessen. Zugleich habe ich das sichere Gefühl, dass es heute an der Zeit ist, ein neues Kapitel aufzuschla­gen. (...)

Ich versuche mit dieser Entscheidu­ng, einen Beitrag zu leisten, der es der Bundesregi­erung ermöglicht, ihre Kräfte auf endlich gutes Regieren zu konzentrie­ren, und das verlangen die Menschen ja zu Recht. (...)“

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