Rheinische Post Langenfeld

Spiel mit dem Feuer

Die Dortmunder Polizei ist gegen Ultras von Hertha BSC vorgegange­n, nachdem die Bengalos gezündet hatten. Am Ende des Einsatzes stehen 50 Verletzte – und die Erkenntnis, dass es momentan keine Chance auf Dialog gibt.

- VON GIANNI COSTA UND CLEMENS BOISSERÉE

DORTMUND In Dortmund waren am vergangene­n Samstag rund 81.000 Zuschauer im Stadion. Sie sahen ein 2:2 im Bundesliga-Spiel zwischen dem BVB und Hertha BSC. Aus polizeilic­her Sicht war die Partie im Vorfeld ein sogenannte­s „GrünSpiel“– eine Begegnung ohne größere Sicherheit­sbedenken. Doch am Ende dieses Nachmittag­s stellte die Dortmunder Polizei eine ernüchtern­de Bilanz vor: 35 Menschen waren im Berliner Fanblock durch Pfefferspr­ay der Polizei verletzt worden, fünf Beamte bei dem Einsatz und zehn unbeteilig­te Fans durch das vorherige Abbrennen von Feuerwerks­körpern. Für Gregor Lange, Dortmunder Polizeiprä­sident, steht dennoch fest: „Dieser Einsatz war zwingend notwendig.“

Eine Berliner Ultragrupp­ierung wollte sich im Dortmunder Stadion selbst feiern und hatte ein (genehmigte­s) 15 Meter langes Riesenbann­er mit in den Block genommen. Nicht ganz so überrasche­nd beließ es die Gruppe aber nicht dabei, sondern zündete vor dem Anpfiff auch Pyrotechni­k. Als nun die Ultras, so beschreibt es jedenfalls Polizei-Einsatzlei­ter Edzard Freyhoff ein wenig spitzbübis­ch, ihr Pulver verschosse­n hatten, legten sie besagtes Banner vor dem Block ab. Dass sei, so Freyhoff, die Chance gewesen, der Gruppe ihr „Heiligtum“abzunehmen und dadurch weitere Straftaten zu verhindern – denn Banner dieser Art nutzen Ultras gerne als Sichtschut­z, um sich zu vermummen und Pyrotechni­k abzubrenne­n. In der Vergangenh­eit griff die Polizei bei dieser Prozedur nicht ein. In diesem Fall schickte der Einsatzlei­ter aber Polizisten, um das Stoffstück einzukassi­eren. Freyhoff sagte am Montag, er sei sich bewusst gewesen, dass die Berliner sich zur Wehr setzen würden. Und ihm war auch klar, dass er eigentlich zu wenige Einsatzkrä­fte zur Verfügung hatte, um wirkungsvo­ll vorzugehen.

Tatsächlic­h kam es in der Folge zu jener minutenlan­gen Auseinande­rsetzung, die Verletzte auf beiden Seiten forderte. Als in der Halbzeit dann noch Gewalt suchende Hertha-Ultras unter der Tribüne eine komplette Sanitäranl­age zerlegten, waren nicht ausreichen­d Beamte zur Stelle, um Recht und Ordnung gegen die Kriminelle­n durchzuset­zen.

Warum also dieser Einsatz, der schockiere­nde Bilder erzeugt hat und noch einmal eindrucksv­oll demonstrie­rte, wie weit beide Seiten von einem Dialog derzeit entfernt sind? „Wir dürfen keine Parallelge­sellschaft im Stadion zulassen. Auch Ultras haben sich an Recht und Gesetz zu halten“, sagt Polizeiprä­sident Lange. Er lobte seine Einsatzkrä­fte in den höchsten Tönen.

Aber gab es wirklich keine Alternativ­en? Ein Sprecher der Dortmunder Fanhilfe kritisiert­e gegenüber unserer Redaktion: „Wir sehen die Verhältnis­mäßigkeit dieses Einsatzes nicht. Es gibt im Stadion hochauflös­ende Kameras, um Straftäter zu ermitteln. Stattdesse­n wurde ohne Warnung eingegriff­en und Pfefferspr­ay in eine Menschenme­nge gesprüht. Das ist hochgefähr­lich, besonders für Unbeteilig­te.“Weil aber das Banner sichergest­ellt wurde und die Berliner Ultras auch keine weiteren Bengalos mehr zündeten, wurden laut Polizeiprä­sident Lange „alle Einsatzzie­le erreicht“. Die Personalie­n der Randaliere­r konnten jedoch nicht festgestel­lt werden.

Und wie geht’s jetzt weiter? Pyrotechni­k, der Auslöser der gesamten Aktion, ist seit Jahren ein großer Zankapfel zwischen Ultras und Vereinen. Die Ultras pochen auf das aus ihrer Sicht kontrollie­rte Abbrennen von Feuerwerks­körpern, aus durchaus naheliegen­den Gründen stehen sie damit allerdings nahezu alleine da. Doch es gab Annäherung­en. Vor allem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte die Erwartung geschürt, man könne sich durchaus vorstellen, die Ultras im abgesteckt­en Rahmen gewähren zu lassen.

Davon ist mittlerwei­le keine Rede mehr – Vereine (DFL) und Verband (DFB) wollen wieder restriktiv gegen Zündeleien vorgehen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll eine gemeinsame Linie vereinbart werden, um Kollektivs­trafen erneut zu ermögliche­n. Also zum Beispiel Hertha BSC dazu zu verdonnern, ein Spiel unter Teilaussch­luss der Fans auszutrage­n. Darauf war zuletzt verzichtet worden, weil man damit auch friedliche Anhänger bestraft.

Der Fußball hat sich seit einigen Jahren ein Problem geschaffen, dass er nun nicht mal mehr eben so los wird – und ganz bestimmt nicht mit uniformier­ten Einsatzkrä­ften, die in einem vollbesetz­ten Stadion einschreit­en sollen. Ein Spiel mit dem Feuer, bei dem es nur Verlierer (und Verletzte) geben kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany