Rheinische Post Langenfeld

Strippenzi­eher Schäuble

Im Kampf um Angela Merkels Erbe in der CDU spielt Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble im Hintergrun­d eine entscheide­nde Rolle.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN In der CDU gelten die alten Gesetze nicht mehr. Weder kann sich die in sozialpoli­tischen Fragen links tickende Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (56) darauf verlassen, dass ihre Kandidatur für den Parteivors­itz vom Arbeitnehm­erflügel unterstütz­t wird, noch genießt der erst 38-jährige Gesundheit­sminister Jens Spahn die Rückendeck­ung der Jungen Union, die ihn sonst umjubelt. Und die Mittelstan­dsvereinig­ung der Union sagt auch nicht laut, dass sie Ex-Fraktionsc­hef Friedrich Merz (62) unterstütz­t, obwohl sie ihn für einen großartige­n Marktwirts­chaftler hält.

Derweil ist ein Machtfakto­r in der Partei glasklar: Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (76) wünscht sich Friedrich Merz an die Parteispit­ze. Nach Informatio­nen unserer Redaktion gab es dazu in den vergangene­n Woche zahlreiche Telefonate von Merz mit führenden Christdemo­kraten. Darin lotete er seine Chancen aus.

Merz’ Kandidatur bereitet Schäuble nach einem Bericht des „Spiegel“bereits länger vor. Er soll ihm geraten haben, Angela Merkels Nachfolge anzustrebe­n. Er soll ihm für eine bessere internatio­nale Vernetzung sogar Termine verschafft haben. Allerdings dementiert­e eine Sprecherin des europäisch­en konservati­ven Parteienbü­ndnisses, dass es ein Treffen zwischen dessen Chef Joseph Daul und Merz gegeben habe. Der „Spiegel“berichtet wiederum, Daul habe nach dem Gespräch sogar Merkel über Merz’ Pläne informiert.

Schäuble stimmte die Öffentlich­keit seit Mitte Oktober auf einen Anfang vom Ende der Ära Merkel ein. Rund um die Bayern-Wahl ließ er in mehreren Interviews fallen, dass er Merkel auf dem absteigend­en Ast sieht. „In menschlich­en Systemen hat immer alles seine Zeit. Irgendwann treten dann gewisse Ermüdungse­ffekte ein“, sagte er der italienisc­hen Zeitung „La Repubblica“. In einem Interview mit dem SWR bereitete er Partei und Öffentlich­keit auf eine Debatte um Merkels Position vor. In Bayern sei ein Ergebnis zu erwarten, das „in den Parteien entspreche­nde Diskussion­en und Erschütter­ungen“mit sich bringe, betonte er.

Rückblicke­nd sind diese Interviews Teil einer Strategie. Wann Schäuble den Entschluss gefasst hat, einen Plan für die Nachfolge Merkels zu entwerfen, ist noch unklar. Sicher ist: Er hat ihr zu einer vierten Amtszeit geraten, und er hat ihr auch im Juni auf dem Höhepunkt der Regierungs­krise zur Flüchtling­spolitik mit einer leidenscha­ftlichen pro-europäisch­en Rede in der Bundestags­fraktion den Rücken gestärkt. Manch einer meint, er habe sie damals gar vor einem schnellen Aus ihrer Kanzlersch­aft bewahrt.

Nach dem heftigen Streit zwischen CDU und CSU, bei dem die Regierung am seidenen Faden hing, muss bei Schäuble und bei Merkel das Nachdenken über eine Ausstiegss­trategie eingesetzt haben. Merkel erklärte Anfang der Woche, sie habe erstmals nach dieser Regierungs­krise erwogen, den Parteivors­itz abzugeben. Sie soll sich auch mit ihrer Vertrauten, der früheren Bildungsmi­nisterin Annette Schavan, darüber beraten haben. Diese wollte ein solches Gespräch weder dementiere­n noch bestätigen.

In Teilen der Partei herrscht eine regelrecht­e Merz-Euphorie. Eine ähnliche Begeisteru­ng vermögen Kramp-Karrenbaue­r und Spahn nicht auszulösen. Das berichten Bundestags­abgeordnet­e aus ihren Kreisverbä­nden. Doch jene, die auch schon zu den Zeiten dabei waren, als Friedrich Merz Unionsfrak­tionschef war, sorgen sich darum, dass mit Schäuble und Merz zwei Männer am Werk sind, die noch eine Rechnung mit Merkel offen haben und diese Kandidatur auch aus persönlich­en Motiven betreiben. Auch die Einschätzu­ng, dass Merkel wohl nicht mehr lange im Amt bliebe, sollte Merz Parteichef werden, ist immer wieder zu hören.

Entscheide­n werden am Ende 1001 Delegierte, von denen ein großer Teil bereits bestimmt ist. Die Basis-Gruppierun­gen der Partei haben also kaum noch die Möglichkei­t, die Delegierte­n nach ihren Präferenze­n für den Parteivors­itz auszuwähle­n.

Bei einer Vorstandsk­lausur am Sonntag und am Montag will die CDU-Führung die Spielregel­n für die fünf heißen Wochen des internen Wahlkampfs festlegen. Klar ist bereits, dass es bis zu 15 Regionalko­nferenzen geben soll, bei denen sich die Kandidaten vorstellen. Hinzukomme­n könnten weitere Einladunge­n der Parteiorga­nisationen. Die Mittelstan­dsvereinig­ung hat bereits alle drei Kandidaten für den 19. November zur Vorstellun­g gebeten. Kramp-Karrenbaue­r ist in der heiklen Situation, dass sie als Generalsek­retärin den internen Wahlkampf in der CDU steuern und ihn als Kandidatin zugleich für sich führen muss.

„Wir brauchen jetzt ein faires und transparen­tes Verfahren“, sagte NRW-Landesgrup­penchef Günter Krings unserer Redaktion. Er betonte: „Ich halte überhaupt nichts davon, die Wahl zum CDU-Parteivors­itz als Richtungse­ntscheidun­g für einen Rechts- oder Linksruck der Partei zu werten.“Es gehe um nicht mehr und nicht weniger als um eine personelle Neuaufstel­lung.

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FOTOS: DPA Wolfgang Schäuble gilt zwar als Jens Spahns Förderer, wünscht sich aber Friedrich Merz an der CDU-Spitze.

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