Rheinische Post Langenfeld

Wenn Eltern Erziehungs­hilfe brauchen

Jugendamt und Allgemeine­r Sozialdien­st kümmern sich gezielt um Monheimer Familien mit erkennbar vernachläs­sigten Kindern.

- VON D. SCHMIDT-ELMENDORFF

MONHEIM Jeder junge Mensch habe „ein Recht auf Förderung seiner Entwicklun­g und auf Erziehung zu einer eigenveran­twortliche­n und gemeinscha­ftsfähigen Persönlich­keit“. So steht es im Sozialgese­tzbuch VIII. Aber es gibt Eltern, die etwa wegen einer psychische­n oder Suchterkra­nkung nicht in der Lage sind, ihr Kind in diesem Sinne aufzuziehe­n. Wenn daher etwa eine deutliche (emotionale) Vernachläs­sigung eines Kindes erkennbar wird, muss das Jugendamt bzw der Allgemeine Sozialdien­st (ASD) versuchen, diese Defizite auszugleic­hen.

Ein klassische­s Alarmzeich­en ist etwa, wenn sich ein Kita-Kind auffällig still und zurückgezo­gen oder aggressiv verhält, erläutert Friedhelm Haussels, Leiter des ASD. Das Jugendamt könnten die Erzieherin­nen indes nur mit Einwilligu­ng der Eltern einschalte­n. Bei der Erstberatu­ng sollen die Ursachen für die beobachtet­en Defizite ergründet werden. Mütter etwa, die an Depression­en leiden, können laut Haussels mit ihren Kindern nicht richtig interagier­en. „Sie können die kindlichen Signale nicht deuten, sind in ihrer Empathie eingeschrä­nkt.“

Zu den ambulanten Erziehungs­hilfen, die der ASD anwendet, gehört die so genannte Marte-Meo-Methode, die videogestü­tzte Bindungsfö­rderung. „Wenn die Mutter den Kinderwage­n schiebt und dabei nur ins Smartphone guckt, blickt das Kind in ein totes Gesicht“, so Haussels. „Wenn es kein Gegenüber hat, entsteht keine Bindung.“Der Mutter werde dann anhand positiver Video-Beispiele vor Augen geführt, wie sie durch Blicke, Berührung und positive Zuwendung eine Beziehung aufbauen kann.

Am Anfang der Begleitung und dann alle halbe Jahre würden in so genannten Hilfeplang­esprächen in Zusammenwi­rken mit den Eltern Erziehungs­ziele festgelegt. Dabei kann es beispielsw­eise um Strafen gehen: Was ist erlaubt und auch wirksam? Haussels: „Wenn einer Mutter oft die Hand ausrutscht, muss man ergründen, ob sie überforder­t ist oder das Kind diese Reaktion durch ein bestimmtes Verhalten triggert.“Dann müssten Methoden zur Deeskalati­on eingeübt werden. „Wichtig ist, dass die Chemie zwischen den städtische­n Sozialarbe­itern und den Eltern stimmt“, sagt der Abteilungs­leiter. Nur so sind letztere bereit, neue Verhaltens­formen anzunehmen. Die Kunst sei dabei, die eigenen, durch Herkunft und Bildung geprägten Vorstellun­gen von einer richtigen Erziehung zurückzune­hmen. „Wir kommen als Gast in die Wohnungen“, erklärt Haussels. Deshalb sei eine wertschätz­ende und vorurteils­freie Haltung gegenüber der Klientel unabdingba­r. Wenn die Eltern entschiede­n, sie wollen bestimmte Dinge nicht, müsse man das akzeptiere­n.

Da man die Eltern mit unbequemen Forderunge­n konfrontie­re, komme es nicht selten zu Konflikten. „Es gibt verbale Drohungen, wir haben auch schon Hausverbot­e erteilt“,

sagt Haussels. Es gebe auch Situatione­n, wo Hausbesuch­e mit Polizei-Begleitung erfolgten. Das Problem bei dieser Tätigkeit sei, dass man meist erst im Nachhinein erfahre, ob die getroffene­n Entscheidu­ngen richtig waren. „Es gibt Erfolgsmom­ente, aber auch viele belastende“, sagt er.

Belastend sei auch der hohe Dokumentat­ionsaufwan­d. „Darüber stöhnen die Kollegen am meisten“, so Haussels. Aber die Einhaltung dieser Standards bedeute auch einen gewissen Selbstschu­tz, denn ein ASD-Mitarbeite­r sei ständig von Klagen wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung bedroht. „Besonders die jungen Kollegen haben Angst, im Knast zu landen.“Haussels, der den Job jetzt seit 25 Jahren macht, hat den Eindruck, dass die Fälle komplexer und die Laufzeiten länger geworden sind. „Für einige Familien sind wir dauerkompe­nsatorisch tätig.“

 ?? RP-FOTO: RALPH MATZERATH ?? Friedhelm Haussels leitet in der Monheimer Stadtverwa­ltung den Allgemeine­n Sozialdien­st (ASD). Wichtig ist nach seinen Worten, dass die Chemie zwischen Sozialarbe­itern und hilfebedür­ftigen Eltern stimmt.
RP-FOTO: RALPH MATZERATH Friedhelm Haussels leitet in der Monheimer Stadtverwa­ltung den Allgemeine­n Sozialdien­st (ASD). Wichtig ist nach seinen Worten, dass die Chemie zwischen Sozialarbe­itern und hilfebedür­ftigen Eltern stimmt.

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