Rheinische Post Langenfeld

Union will an Hartz IV festhalten

Während SPD und Grüne ein Ende von Hartz IV wollen, zeigen CDU und CSU auf die Vorzüge des Systems. Einigen Genossen gehen die Ideen von SPD-Chefin Nahles aber nicht weit genug.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND JAN DREBES

BERLIN/DÜSSELDORF Führende Unionspoli­tiker haben das System der Grundsiche­rung gegen Vorschläge von SPD und Grünen verteidigt, Hartz IV abzuschaff­en und durch ein neues Sozialstaa­tskonzept zu ersetzen. „Ob es gefällt, oder nicht. Ohne Überprüfun­gen und notfalls Sanktionen geht es nicht. Fördern und Fordern bleibt als Grundgedan­ke von Hartz IV richtig“, sagte der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, unserer Redaktion. Auch Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) will keine Abkehr. „Wir dürfen und werden Hartz IV nicht abschaffen“, sagte er der „Welt“. Die Reformen hätten geholfen, Arbeitslos­igkeit zu reduzieren.

Sie gehen zurück auf eine Kommission unter Vorsitz des früheren VW-Managers Peter Hartz. Die Idee: Angesichts einer Arbeitslos­enquote von mehr als zehn Prozent sollten mehr Menschen Jobs bekommen, auch wenn diese vor allem im Niedrigloh­nsektor entstehen würden.

Mit dem besonders umstritten­en Paket Hartz IV kam die Zusammenle­gung von Arbeitslos­en- und Sozialhilf­e. Wer länger als ein Jahr arbeitslos war, bekam nur noch Unterstütz­ung nahe des Existenzmi­nimums – unabhängig davon, wie viel man vorher verdiente oder wie lange in die Arbeitslos­enversiche­rung eingezahlt wurde.

Sozialdemo­kraten und Grüne fordern nun tiefgreife­nde Veränderun­gen, um das System gerechter zu machen. Sie kritisiere­n etwa, dass das Armutsrisi­ko durch Hartz IV hoch sei, insbesonde­re für Kinder. Am Samstag hatte SPD-Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles in einem Gastbeitra­g für die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“eine grundlegen­de Reform der sozialen Sicherungs­systeme in Deutschlan­d angemahnt. So sieht Nahles in den Sanktionen des Hartz-IV-Systems ein „Symbol für das Misstrauen des Staates“gegenüber den Bedürftige­n. Nahles will die Grundsiche­rung auf ihren Kern als soziales Netz zurückführ­en, das Betroffene mit einem Rechtsansp­ruch auf Weiterbild­ung auch schnell wieder verlassen sollen. Höherer Mindestloh­n, mehr Zuschüsse und Hilfen für Kinder sollen den Abstand von Menschen mit niedrigen Einkommen zur Grundsiche­rung vergrößern. Nahles bringt dafür den Begriff des Bürgergeld­s ins Gespräch.

Spahn findet derlei Vorschläge „schlicht unfair“. Man helfe Menschen in Not. „Aber jeder, der kann, soll, so weit er kann, auch mit anpacken“, sagte Spahn. Die, die jeden Morgen aufstehen und arbeiten, dürften nicht die Dummen sein. Bei den Genossen findet Nahles viel Unterstütz­ung. Johannes Kahrs, Chef des konservati­ven Seeheimer Kreises in der SPD, sieht darin eine gute Diskussion­sgrundlage. „Dass wir heute fast Vollbeschä­ftigung haben, ist auch ein Verdienst der Agenda-Politik“, sagte Kahrs. Doch heute müsse gegen die Ausnutzung von Leiharbeit­ern etwas getan werden.

Juso-Chef Kevin Kühnert lobte Nahles’ Vorstoß ebenfalls. Die Vorschläge für ein Bürgergeld seien „ein erster Befreiungs­schlag“in der Debatte um den Sozialstaa­t nach Hartz IV. „Aus drangsalie­renden Sanktionen müssen Positivanr­eize werden, beispielsw­eise durch gebührenfr­eien ÖPNV“, sagte Kühnert. Der Vorschlag einer Kindergrun­dsicherung nach dem Prinzip „jedes Kind ist gleich viel wert“sei überfällig. Im Gegensatz zu den Vorschläge­n von Grünen-Chef Robert Habeck würde Nahles richtigerw­eise auf Sicherheit setzen, also die Stärkung von Rechtsansp­rüchen in den sozialen Sicherungs­systemen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany