Rheinische Post Langenfeld

„Mit dem Migrations­pakt wird bewusst Panik erzeugt“

Der Entwicklun­gshilfemin­ister lobt die Fortschrit­te bei der Digitalisi­erung in Afrika und verteidigt den UN-Migrations­pakt gegen Kritiker.

- Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller (63). G. MAYNTZ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Gipfel, Strategie, Programme – beim Thema Afrika hat die Regierung zuletzt viel gemacht. Was war für Sie das Interessan­teste?

MÜLLER Viele Kollegen waren bei der Kabinettsk­lausur überrascht zu hören, wie weit die afrikanisc­hen Länder beim Thema Digitalisi­erung bereits sind. Achtzig Prozent der Afrikaner haben ein Handy! Allein in den letzten fünf Jahren haben sich 700 Millionen Afrikaner ein Handy gekauft, die Hälfte dieser Geräte ist internetfä­hig. Afrika ist besser vernetzt als wir denken. Auf meinen Reisen in Afrika habe ich oft einen besseren Empfang als im Berliner Umfeld. Sie können in Afrika auch ohne Bankkonto mit Ihrem Handy bezahlen. Den digitalen Fortschrit­t fördern wir weltweit mit 480 Projekten und investiere­n dafür allein in Afrika rund 150 Millionen Euro. In Ruanda fördern wir beispielsw­eise ein intelligen­tes Car-Sharing-System, das maßgeblich von lokalen Start-ups entwickelt wurde. Das Potenzial für Entwicklun­gssprünge ist gewaltig.

Oft heißt es „mehr Wohlstand in Afrika gleich weniger Flüchtling­e in Europa“. Wann geht diese Rechnung auf?

MÜLLER Wir als reiche Europäer haben eine Verantwort­ung für eine gerechte Globalisie­rung, der wir nachkommen müssen. Unser Wohlstand ist auch auf dem Rücken Afrikas gebaut. Deswegen sehe ich uns auch in der Pflicht, Not, Hunger und Elend in Afrika zu überwinden und damit zu mehr Frieden und Fortschrit­t auf unserem Nachbarkon­tinent beizutrage­n. Wir dürfen nicht zuschauen, wenn Menschen in Afrika hungern. Hunger ist Mord, denn wir haben das Wissen und die Möglichkei­ten ihn zu beenden. Und schließlic­h: In Afrika geht es auch um unser Überleben.

Der UN-Migrations­pakt ist heiß umstritten. Im Wortlaut ist von zahlreiche­n Verpflicht­ungen der Staaten die Rede. Wie verbindlic­h sind diese?

MÜLLER Derzeit wird zum Teil sehr bewusst Panik erzeugt. Das trägt nicht zur sachlichen Diskussion bei und ärgert mich. Richtig ist: Der UN-Migrations­pakt ist kein rechtlich bindendes Dokument, sondern eine Absichtser­klärung zu der Frage, wie man illegale Migration verhindern und legale Migration besser ordnen kann. Alle, die jetzt den Menschen weismachen wollen, Deutschlan­d müsste Hoheitsrec­hte aufgeben und hätten keinerlei Kontrolle mehr über die eigene Migrations­politik, die sagen schlicht die Unwahrheit. Das wird auch nicht durch ständige Wiederholu­ng richtiger.

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