„Mit dem Migrationspakt wird bewusst Panik erzeugt“
Der Entwicklungshilfeminister lobt die Fortschritte bei der Digitalisierung in Afrika und verteidigt den UN-Migrationspakt gegen Kritiker.
Gipfel, Strategie, Programme – beim Thema Afrika hat die Regierung zuletzt viel gemacht. Was war für Sie das Interessanteste?
MÜLLER Viele Kollegen waren bei der Kabinettsklausur überrascht zu hören, wie weit die afrikanischen Länder beim Thema Digitalisierung bereits sind. Achtzig Prozent der Afrikaner haben ein Handy! Allein in den letzten fünf Jahren haben sich 700 Millionen Afrikaner ein Handy gekauft, die Hälfte dieser Geräte ist internetfähig. Afrika ist besser vernetzt als wir denken. Auf meinen Reisen in Afrika habe ich oft einen besseren Empfang als im Berliner Umfeld. Sie können in Afrika auch ohne Bankkonto mit Ihrem Handy bezahlen. Den digitalen Fortschritt fördern wir weltweit mit 480 Projekten und investieren dafür allein in Afrika rund 150 Millionen Euro. In Ruanda fördern wir beispielsweise ein intelligentes Car-Sharing-System, das maßgeblich von lokalen Start-ups entwickelt wurde. Das Potenzial für Entwicklungssprünge ist gewaltig.
Oft heißt es „mehr Wohlstand in Afrika gleich weniger Flüchtlinge in Europa“. Wann geht diese Rechnung auf?
MÜLLER Wir als reiche Europäer haben eine Verantwortung für eine gerechte Globalisierung, der wir nachkommen müssen. Unser Wohlstand ist auch auf dem Rücken Afrikas gebaut. Deswegen sehe ich uns auch in der Pflicht, Not, Hunger und Elend in Afrika zu überwinden und damit zu mehr Frieden und Fortschritt auf unserem Nachbarkontinent beizutragen. Wir dürfen nicht zuschauen, wenn Menschen in Afrika hungern. Hunger ist Mord, denn wir haben das Wissen und die Möglichkeiten ihn zu beenden. Und schließlich: In Afrika geht es auch um unser Überleben.
Der UN-Migrationspakt ist heiß umstritten. Im Wortlaut ist von zahlreichen Verpflichtungen der Staaten die Rede. Wie verbindlich sind diese?
MÜLLER Derzeit wird zum Teil sehr bewusst Panik erzeugt. Das trägt nicht zur sachlichen Diskussion bei und ärgert mich. Richtig ist: Der UN-Migrationspakt ist kein rechtlich bindendes Dokument, sondern eine Absichtserklärung zu der Frage, wie man illegale Migration verhindern und legale Migration besser ordnen kann. Alle, die jetzt den Menschen weismachen wollen, Deutschland müsste Hoheitsrechte aufgeben und hätten keinerlei Kontrolle mehr über die eigene Migrationspolitik, die sagen schlicht die Unwahrheit. Das wird auch nicht durch ständige Wiederholung richtiger.