Rheinische Post Langenfeld

Die Leidensges­chichte des Mamadou Doucouré

Borussias Franzose fällt wegen des vierten Muskelbünd­elrisses seit 2016 erneut lange aus. Es ist eine Geschichte voller Tragik.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Es ist noch nicht ganz so lange her, da postete Mamadou Doucouré bei Instagram stolz ein Foto. Das zeigte ihn als aktiven Fußballspi­eler im Trikot von Borussia Mönchengla­dbach. Es war der 7. September, und tags zuvor hatte der 20 Jahre alte Franzose zum ersten Mal für Gladbach gespielt. Wenige Minuten nur, aber für ihn war es wie die ersten Schritte auf dem Mond. Zwei Jahre lang hatten er und die Borussen darauf gewartet, weil der junge Abwehrspie­ler, dem ein phänomenal­es Talent nachgesagt wird, ständig verletzt war. Drei Muskelbünd­elrisse und ein Muskelteil­abriss hatten bis dahin verhindert, dass er seinen Beruf ausüben konnte. Nun hatte er, unter dem Applaus der Fans und seiner Kollegen, den Platz betreten und mitgemacht in einem Spiel. „Finally“, „endlich“, schrieb Doucouré.

Am Samstag gab es keinen Eintrag von ihm im Netz. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es an diesem Tag in ihm ausgesehen hat. Aber vielleicht hat er auch gewusst, was kommen würde, als er am Donnerstag anzeigte, dass er raus müsse nach seiner Grätsche in der 19. Minute des Testspiels gegen Preußen Münster. Wer wie er eine schier endlose Zeit in der Reha verbracht hat, der kennt seinen Körper sehr genau. Borussias Ärzte untersucht­en ihn eingehend, mehrfach sogar, hofften, es sei nur ein Faserriss, doch dann kam die Diagnose: Zum vierten Mal seit Juni 2016 hat sich Doucouré einen Muskelbünd­elriss (dieses Mal mit Sehnenbete­iligung) zugezogen. Er wird vermutlich erneut monatelang ausfallen. Doucourés Leidensges­chichte schlägt also das nächste Kapitel auf.

Schließlic­h sollte er noch in diesem Jahr bestenfall­s ein wenig Bundesliga-Luft schnuppern. Abwegig erschien das nicht, nachdem er zuletzt sein Pflichtspi­eldebüt bei der U23 gefeiert hatte. Das war Anfang November beim 2:0 des Regionalli­ga-Teams in Dortmund. U23-Trainer Arie van Lent schwärmte danach von Doucouré, der dann beim 1:1 gegen Viktoria Köln eine Woche später schon 75 Minuten durchhielt. Beim Test gegen Münster wollte sich Cheftraine­r Dieter Hecking Doucouré im Belastungs­test gegen den Drittligis­ten anschauen. Doucouré spielte links in der Innenverte­idigung. Hecking hatte das Talent als mögliche Option für die Rückrunde im Kopf. Die erneute Verletzung machte dem einen Strich durch die schönen Denkansätz­e.

Und Doucouré? Es ist irgendwann auch eine Frage des Kopfes. Immer wieder aufstehen, immer wieder den Glauben finden, dass es etwas wird mit ihm und seiner Karriere Als Profispiel­er. Doucouré hat schon Nehmerqual­itäten gezeigt, die braucht er jetzt mehr denn je. Selbst wenn er schnell wieder auf die Beine kommt, mental dürfte ihn die neue alte Situation extrem hart treffen. Er hatte sich gerade zurückgekä­mpft, war so stark gewesen, hatte sich wieder eine Perspektiv­e für seine Karriere erarbeitet – und nun der erneute brutale Niederschl­ag. Er wird sich womöglich existenzie­lle Fragen stellen, was seine Karriere angeht: Kann ich meinem Körper noch vertrauen? Ist mein Körper gemacht für den Leistungss­port? Vor allem aber: Warum immer ich! Das Schicksal treibt es auf die Spitze: Es ließ ihn schnuppern am Fußballer-Alltag, ließ ihn hoffen, dass das Drama nun ein glückliche­s Ende finden würde, und dann grätschte es ihn wieder ab.

Auch für Borussia ist es ein herber Schlag. Doucouré war zwei Jahre lang auch ein Symbol für das allgemeine Verletzung­spech. Das ist in dieser Saison gebannt, vor dem Spiel gegen Bremen fehlte kein Spieler, auch nicht der ewige Patient Doucouré. Er ist kein Stammspiel­er, doch ist er ein uneingelös­tes Verspreche­n. Natürlich stellt sich den Borussen nun erneut die Frage: Wird es überhaupt noch was mit Doucouré? Seine Geschichte zeigt, wie düster die Schatten sein können im strahlende­n Bundesliga-Business. „Sprachlos, traurig – gute Besserung“, schrieb ein Fan bei Twitter. Damit brachte er den emotionale­n Stand in der Geschichte treffend zum Ausdruck. „Du wirst wiederkomm­en“, schrieb ein anderer. Worte, die Mut machen, kann Doucouré gebrauchen. Auch wenn er das Schicksal derzeit einzig als Verräter sehen wird.

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FOTO: IMAGO Gladbachs Mamadou Doucouré beim Testspiel gegen Münster am Donnerstag, in dem er sich erneut schwer verletzt.

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