Dem Maschinenbau fehlt der Nachwuchs
Das Durchschnittsalter liegt heute schon mit 50 Jahren deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Die IG Metall verlangt ein schnelles Gegensteuern. Ansonsten läge der Wert 2030 bereits bei besorgniserregenden 52 Jahren.
FRANKFURT Der Branchenverband VDMA, das Sprachrohr des Maschinenund Anlagenbaus, ist unermüdlich, wenn es darum geht, Schuldige für die angespannte Lage am Arbeitsmarkt zu finden. Erst kürzlich kritisierte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann, die Bundesregierung verfolge mit der Rente mit 63 und mit der Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit eine Politik, die Beschäftigte vom Arbeiten abhält. „Stattdessen brauchen die Unternehmen Rahmenbedingungen, die mehr Beschäftigung ermöglichen, etwa durch eine wirklichkeitsnahe Reform des Arbeitszeitgesetzes.“
Der Fachkräftemangel, so legt es Brodtmanns Vorwurf nahe, hat eine der Vorzeigebranchen der Republik erreicht. Auch bei der Gewerkschaft IG Metall wächst die Sorge. IG-Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Die Sicherung von Fachkräften ist ein großes Problem im Maschinenbau.“Das habe eine aktuelle Befragung der Betriebsräte deutlich gezeigt. Den „Trendmelder“führt die IG Metall einmal im Jahr durch. Er sei zwar nicht repräsentativ, sagt Lemb, liefere aber mit einer Abdeckung von 100.000 Beschäftigten ein sehr zutreffendes Bild der stark mittelständisch geprägten und heterogenen Branche.
„Der Maschinen- und Anlagenbau hat schon heute ein relativ hohes Durchschnittsalter von 50 Jahren. Zum Vergleich: Das Durchschnittsalter aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland liegt bei 43 Jahren. Ohne gezieltes Gegensteuern wird das Durchschnittsalter im Maschinenbau bis 2030 auf 52 Jahre steigen.“Bei den unter 25-Jährigen gebe es bis 2025 einen Rückgang um 15 Prozent. „Das ist eine bedenkliche Entwicklung, auf die dringend mit einer qualifizierten Personalplanung und -entwicklung reagiert werden muss“, forderte der Gewerkschafter.
Anders als der VDMA sieht der IG-Metall-Vorstand das Problem allerdings weniger auf Regierungs-, als vielmehr auf Arbeitgeberseite: „Unsere Betriebsräte sagen aber, dass es in der Mehrheit der Unternehmen dafür keine Konzepte gebe.“So gaben beim Trendmonitor zehn Prozent der Befragten auf die Frage nach einer Personalplanung und -entwicklung im Unternehmen an, das treffe überhaupt nicht zu. 38 Prozent sagten, das treffe überwiegend nicht zu und 35 Prozent sagten „teils, teils“. „Zugespitzt heißt das: Mehr als drei Viertel der Unternehmen haben nach Einschätzung unserer Betriebsräte akuten Nachholbedarf“, sagte Lemb. „Wir fordern deshalb, dass alle Firmen des Maschinen- und Anlagenbaus die Altersstruktur und den Qualifikationsbedarf analysieren und daraus einen zukunftsfähigen Personalplan ableiten.“
Zur Sicherung von Fachkräften sei ein Maßnahmenbündel nötig. Zentral seien die Aus- und Weiterbildung sowie der Wissenstransfer von den Älteren zu den Jüngeren. „Gerade darüber machen sich augenscheinlich zu wenig Unternehmen Gedanken“, so Lemb. Um zudem für jüngere Menschen attraktiver zu werden fordert er eine höhere Tarifbindung und Stärkung der Mitbestimmung. Schließlich seien Entlohnung und Arbeitsbedingungen in tarifgebundenen Unternehmen besser als in Betrieben ohne Tarif. „Die Tarifbindung in dieser Branche liegt bei 56 Prozent. Da gibt es noch Luft nach oben“, sagte Lemb.
Der IG Metall zufolge wird der Druck auf die Unternehmen des Maschinen- und Anlagebaus in dieser überwiegend mittelständisch geprägten Branche zunehmen. „Die
Arbeitgeber sollten nicht warten, bis er sie erdrückt. Und die Hoffnung, dass die Digitalisierung das Problem der Fachkräftesicherung lösen wird, ist trügerisch.“Die Untersuchung des IMU Instituts „Digitale Transformation im Maschinenund Anlagenbau“habe ergeben, dass es in der Fertigung auf absehbare Zeit keinen massiven Arbeitsplatzverlust für den Maschinen- und Anlagenbau geben wird, weil vieles schon automatisiert wurde. Die Digitalisierung treffe eher die Tätigkeit von Angestellten.
„Druck auf den Maschinenbau kommt aber nicht nur durch die demografische Entwicklung. Neue Geschäftsmodelle, beispielsweise Serviceleistungen, werden künftig über digitale Plattformen laufen“, warnt IG-Metall-Vorstandsmitglied Lemb. „Hier könnten die US-Internet-Giganten zu Konkurrenten für deutsche Mittelständler werden. Strittig dürfte dann die Fragen werden, wer die Hoheit über die Kundenbeziehungen hat und wem die Kundendaten gehören, die auf solchen Plattformen gesammelt werden.“