Europa wagt das autonome Fahren
Die EU-Kommission macht den Weg frei für die Kommunikation von Autos untereinander und von Fahrzeugen mit den Verkehrsleitstellen. Die entsprechende Regelung könnte schon im Sommer 2019 in Kraft treten.
BRÜSSEL Die EU macht den Weg frei für erste Schritte beim autonomen Fahren. Bereits ab Sommer 2019 soll die rechtliche Grundlage dafür geschaffen sein, dass Autos untereinander sowie mit der Straßeninfrastruktur kommunizieren können. Dies sieht ein Rechtsakt vor, den die EU-Kommission nach Informationen unserer Zeitung in den nächsten Tagen veröffentlichen wird. In einem ersten Schritt sollen Fahrer von Fahrzeugen, die mit der dafür notwendigen Technik ausgerüstet sind, auf 13 Gefahrensituationen im stehenden und fließenden Verkehr hingewiesen werden. So sollen unter anderem Unfälle beim Linksabbiegen, beim Auffahren auf ein Stauende auf der Autobahn, an Baustellen sowie mit Einsatzfahrzeugen von Polizei und Feuerwehr drastisch reduziert werden. Alle Beteiligten sollen dank Rechtsakt sicher sein können, dass sie sich auf Warnmeldungen „zu 100 Prozent“verlassen können.
Mit dem Rechtsakt, der voraussichtlich im Juni oder Juli in Kraft treten soll, bekommen Autohersteller, Straßenbetreiber und Telekommunikationsfirmen die seit Langem geforderte Rechtssicherheit. Verkehrskommissarin Violeta Bulc erwartet massive Fortschritte bei der Verkehrssicherheit. In Japan etwa, wo die ersten Dienste des autonomen Fahrens bereits seit 2016 in Betrieb sind und wo Toyota seine Neuwagen seit Jahren mit der neuen Technik ausrüstet, sei es gelungen, die Zahl der Unfälle an Kreuzungen um 30 Prozent zu senken. Es geht um so genannte „Kooperative Intelligente Verkehrssysteme“(C-ITS). Fahrzeuge, Ampeln und Straßen werden mit „C-ITS-Boxen“ausgerüstet.
Mit der Warnmeldung im Cockpit des Autos ist es aber nicht getan. Hersteller haben bereits signalisiert, dass sie die Technik im großen Stil ausrollen wollen. Wenn es künftig die Garantie gebe, dass das Warnsignal zuverlässig sei, sei C-ITS mit Systemen zum automatischen Abbremsen kombinierbar, die es bereits gebe. Denkbar ist mit C-ITS-Technik auch, dass Fahrzeuge mit den Verkehrsleitzentralen kommunizieren und Informationen zu Straßenglätte und Staus automatisch und zuverlässig übermitteln.
Wie im Umfeld der Kommissarin zu hören ist, gibt der Rechtsakt Standards zur Übertragung der Daten vor. Demnach wird zunächst die Kommunikation per W-Lan vorgeschrieben. Dem Vernehmen nach haben sich VW, GM und Toyota auch auf diese Technik festgelegt. BMW, Daimler und die Telekom dürften dagegen ein Problem haben, denn sie favorisieren eine Lösung über Mobilfunk. Die Kommission ist aber offen für andere Technologien zu einem späteren Zeitpunkt. „Wir sind selbstverständlich auch zugänglich für die 5G-Technologie. Wichtig ist nur, dass verschiedene Technologien dann auch zuverlässig miteinander kommunizieren können“, heißt es aus Kommissionskreisen.
Neben den technischen Standards macht die Kommission im Rechtsakt Vorgaben für Cybersicherheit und Datenschutz. Die Kommission verlangt, dass die C-ITS-Boxen so zertifiziert werden, dass sie geschützt sind gegen Hacker-Angriffe. Bei mangelnder Cybersicherheit seien die Folgen fatal: Falsche Daten, etwa zu der Lage von Stauenden auf
der Autobahn, könnten verheerende Unfälle auslösen.
In Sachen Datenschutz will die Europäische Kommission sicherstellen, dass die persönlichen Daten des Fahrers und Halters nicht missbraucht werden können. Beide sollen sich darauf verlassen können, dass ihre persönlichen Daten etwa zum geographischen Aufenthalt nur zur Erhöhung der Verkehrssicherheit dienen. Die Datennutzung unterliege den strengen Beschränkungen der EU-Datenschutzgrundverordnung.
Nach der Veröffentlichung des Rechtsakts durch die Kommission beginnt eine vierwöchige Konsultationsphase, in der Mitgliedstaaten, Hersteller und auf autonomes Fahren spezialisierte Firmen wie Siemens und Bosch Stellung nehmen können. Danach werden der Rat und das Europaparlament um Zustimmung gebeten. Bislang gibt es keine Hinweise, dass es dabei Schwierigkeiten geben wird. Weltweit ist der Einsatz von Digitaltechnik im Verkehr auf dem Vormarsch, etwa in den USA, Japan, Korea und China. In etlichen Ländern sind C-ITS-Fahrzeuge und Dienste seit Jahren erhältlich.