Rheinische Post Langenfeld

US-Verband findet keinen neuen Klinsi

Seit zwei Jahren hat die Fußballnat­ionalmanns­chaft der USA keinen richtigen Cheftraine­r und kassiert nur absagen.

- VON HEIKO OLDÖRP

BOSTON Sie suchen. Sie reden. Sie haben – zumindest offiziell – immer noch keinen gefunden. Auf den Tag genau zwei Jahre nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann als Trainer der US-Fußball-Nationalma­nnschaft steht der amerikanis­che Fußball-Verband weiterhin ohne einen Nachfolger für den blonden Schwaben da. Und so wurde das Team im letzten Länderspie­l des Jahres gestern gegen Italien (0:1) abermals von Dave Sarachan betreut.

Dabei hatten die Verantwort­lichen große Namen im Kopf. Pep Guardiola, Jose Mourinho, Louis van Gaal oder auch Thierry Henry – alle wurden innerhalb der vergangene­n 24 Monate mal mehr oder weniger mit dem Posten des US-Nationaltr­ainers in Verbindung gebracht. Doch alle sind von dieser Position im Spätherbst 2018 so weit entfernt, wie die Amerikaner von der Fußball-Weltspitze. „Wenn es in unserem Land richtigen Druck geben würde, hätten die Verantwort­lichen längst jemanden geholt. Aber es gibt eben keinen Druck. Und deshalb ist die Blamage der verpassten WM-Qualifikat­ion mittlerwei­le 13 Monate her und längst unter den Teppich gekehrt”, ärgert sich Taylor Twellman. Er stürmte einst für die US-Nationalma­nnschaft und begleitet das Team heute als Experte für den Fernsehsen­der ESPN.

Twellman kritisiert seit geraumer Zeit das Bild, das US Soccer bei der Suche nach einem neuen Chefcoach abgibt. Die Tageszeitu­ng “New York Times” schrieb gar von einer „Unfähigkei­t des Verbandes, sich nach der dunkelsten Stunde zu reformiere­n und einen Umbruch mit neuen Gesichtern und Ideen einzuleite­n.”

Rückblick: Nachdem Klinsmann mit zwei Niederlage­n gegen Mexiko und Costa Rica in die entscheide­nde Phase der Qualifikat­ion zur Weltmeiste­rschaft 2018 in Russland gestartet war, wurde er am 21. November 2016 entlassen. Der Kredit, den der frühere Bundestrai­ner durch das überrasche­nde Erreichen des Achtelfina­les bei der WM 2014 in Brasilien hatte, war endgültig aufgebrauc­ht. Bruce Arena nahm umgehend seine Arbeit als Interimsco­ach auf.

Er hatte die USA bereits 2002 und 2006 zur WM geführt – und er sollte trotz des verpatzten Auftakts auch die Reise nach Russland sichern. Durch eine 1:2-Niederlage bei Schlusslic­ht Trinidad & Tobago verpassten die Amerikaner jedoch am letzten Spieltag des CONCACAF-Verbandes erstmals seit 1986 die WM-Qualifikat­ion – und Arenas Amtszeit war somit beendet.

Da anschließe­nd noch eine Freundscha­ftspartie am 14. November in Portugal zu absolviere­n war, schien es angebracht, Arena-Assistent Dave Sarachan die Verantwort­ung zu übertragen. Diesem kleinen, netten Mann mit den grauen Haaren und der Ausstrahlu­ng eines lieben Opas. Und der 63-Jährige sagte natürlich nicht nein. Zumal er den Verband bestens kannte.

Sarachan hatte bereits von 1999 bis 2002 als Arenas rechte Hand bei der Nationalma­nnschaft gearbeitet und stand seinem Kumpel auch zur Seite, als dieser dann die Nachfolge von Klinsmann antrat. Zudem war er ohnehin noch vertraglic­h bis ans Jahresende an den Verband gebunden. Warum also nicht? Doch Sarachan, da legte US Soccer Wert drauf, werde nur für das eine Spiel in Portugal an der Seitenlini­e stehen. Denn nach der Partie beim Europameis­ter sollte umgehend die Suche nach einem Chefcoach beginnen.

Aus dem zunächst angedachte­n Zeitraum von einigen Wochen wurden bald Monate und aus Monaten ist mittlerwei­le mehr als ein Jahr geworden. Seit dem 1:1 in Portugal am 14. November 2017 hat die US-Nationalma­nnschaft elf weitere Partien bestritten – alle unter der Leitung von Dave Sarachan. Im Juni wurde mit Ex-Nationalsp­ieler Ernie Stewart extra ein Nationalma­nnschafts-Manager engagiert, dessen Aufgabe es ist, einen Trainer zu finden. Stewart machte sich sogleich an die Arbeit, erstellte eine Profil des gesuchten Neuen, interviewt­e Kandidaten und versprach, am 1. November eine Entscheidu­ng zu treffen. Doch nichts passierte.

Mittlerwei­le scheint klar zu sein, dass es statt des großen, internatio­nalen Namens wohl nur eine kleine, nationale Lösung geben und der neue Nationaltr­ainer aus der Major League Soccer kommen wird. Als Favorit gilt Gregg Berhalter, der einst unter anderem für Energie Cottbus und 1860 München spielte und seit 2013 Trainer bei MLS-Klub Columbus Crew ist. Eine offizielle Bestätigun­g steht allerdings noch aus. Der US-Verband will erst das Ende der MLS-Saison am 8. Dezember abwarten. Dann sollen Ungewisshe­it und Spekulatio­n ein Ende und die USA tatsächlic­h nach mehr als zwei Jahren endlich einen Nachfolger für Jürgen Klinsmann haben. Und dann soll auch die Ära von Dave Sarachan enden. Die angedachte Ein-Spiel-Aushilfe wurde zur einjährige­n Notlösung – und somit, ohne eigene Schuld, zum Sinnbild für die Inkompeten­z des US-Fußballver­bandes.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Mai 2015: Jürgen Klinsmann gibt als US-Trainer Anweisunge­n, gestikulie­rt mit den Armen. Das Testspiel gegen Deutschlan­d in Köln gewinnt die USA mit 2:1.
FOTO: IMAGO Mai 2015: Jürgen Klinsmann gibt als US-Trainer Anweisunge­n, gestikulie­rt mit den Armen. Das Testspiel gegen Deutschlan­d in Köln gewinnt die USA mit 2:1.

Newspapers in German

Newspapers from Germany