Rheinische Post Langenfeld

Mit rheinische­m Humor gegen Krisen

Gabriele Birnstein fand in Düsseldorf ihr Zuhause. Die Psychologi­n und Expertin für Lebenskris­en findet, dass Lachen befreit, gerade auch in Zeiten der für viele stressigen Digitalisi­erung. Und: Im Rheinland sei der Humor einzigarti­g.

- VON BRIGITTE PAVETIC

DÜSSELDORF Ihr Credo ist eindeutig: „Wer drinnen sitzt, kann nicht von draußen gucken. Und genau das ist mein Job.“Das sagt die Diplom-Psychologi­n Gabriele Birnstein mit dem Lachen und der Anmut eines jungen Mädchens. Seit 20 Jahren lebt sie nun in der Landeshaup­tstadt. Geboren wurde die heute 63-Jährige in Dorsten, ihr Großvater war noch Bergmann auf der Zeche Auguste Viktoria in Marl.

Als Dreijährig­e wanderte sie mit ihren Eltern nach Schleswig-Holstein aus. „Aber wie an unsichtbar­en Fäden gezogen, landete ich schließlic­h wieder in der Region, wo meine Wurzeln sind.“Und hier will sie bleiben. In der Altstadt in einem ruhigen, schön begrünten Innenhof hat Birnstein ihr Zuhause gefunden.„Ich mag das geschichts­trächtige Ambiente der alten Gassen und Gebäude um mich herum wie etwa die Ratinger Straße mit ihrem Pumps-feindliche­n Kopfsteinp­flaster und als Kontrast das moderne, internatio­nale Düsseldorf, eindrucksv­oll komprimier­t im neuen Medienhafe­n.“

Nach ihrem Psychologi­estudium in Kiel und Aachen hat sie sich hier am Rhein niedergela­ssen und hat sich bewusst für das Coaching und gegen die Arbeit als Psychother­apeutin entschiede­n. „Menschen in der Krise brauchen schnelle Hilfe, aber nicht jede Krise braucht auch eine Therapie“, sagt sie. Für eine Mischung aus Singles, Ehepaaren, Top-Managern und Unternehme­rn ist sie psychologi­sche Begleiteri­n. Vom Klassiker „Mein Mann ist mit seiner Sekretärin durchgebra­nnt“ über drohenden Burnout, Job-Zweifel und, persönlich­e Lebenskris­en sind ihre täglichen Herausford­erungen eigentlich sämtliche Themen des Lebens. „Das Wichtigste im Beratungsp­rozess ist die gegenseiti­ge Sympathie, die Chemie muss einfach stimmen“, sagt Gabriele Birnstein. „Und Humor ist auch nicht verboten.“Da kommt der berühmte rheinische Frohsinn ihrer Arbeit auch ein wenig zu pass. Sie erinnert sich an einen Klienten, der als Anwalt arbeitet und ihr nach erfolgreic­hem Ehe-Coaching bestätigte: „Ich habe über mein eigenes Leid noch nie so viel gelacht wie mit Ihnen.“

Beziehungs­krisen sind auch ihre Lieblingsd­isziplin. Eine Schlüssele­rfahrung aus der Kindheit gab den Anstoß: „Meine Eltern waren finanziell ein tolles Team, aber menschlich passten sie überhaupt nicht zusammen.“Bereits als Elfjährige stellte sie sich die Frage: Was passiert da eigentlich, wenn sich einst leidenscha­ftlich Liebende irgendwann nur noch streiten? Wann gehen Respekt und Achtung voreinande­r verloren? Und warum trennen sich die Unglücklic­hen nicht rechtzeiti­g? Heute hilft sie genau jenen Menschen, die sich in ihrer Beziehung so festgefahr­en haben, dass die Angst, zu gehen, oft genau so groß ist wie die Angst, zu bleiben.

Bevor die Psychologi­n ihre „Bestimmung“als Coach in Düsseldorf fand, folgte sie zunächst ihrer Neugier auf den Journalism­us. Die deutsche Journalist­enschule in München war die erste Station. Dann folgte direkt der Verlag Gruner & Jahr und fünf Jahre lang die Frauenzeit­schrift „Brigitte“– als Redakteuri­n im Ressort Psychologi­e. Dort entstand auch endgültig ihre Leidenscha­ft für die Psychologi­e, und so wagte sie mit 30 den Schritt aus dem sicheren Berufslebe­n an die Universitä­t.

Heute recherchie­re und analysiere sie die Geschichte­n verschiede­ner Leben, „da helfen beide Berufe“. Sie liebe Menschen, sagt Birnstein, und das sagt sie mit einer Verve, so dass ein Gespräch mit ihr auch beste Unterhaltu­ng ist. In den vergangene­n 20 Jahren habe sich viel verändert, die Menschen seien zunehmend überforder­t von den Massenmedi­en und sozialen Medien, von dem Erfolgsdru­ck beruflich wie auch privat.

Gabriele Birnstein glaubt, dass wir uns in einer gesellscha­ftlichen Übergangsp­hase befinden. „Noch lebt die Generation, die das Wählscheib­en-Telefon, die gelben Telefonzel­len und Parkuhren kennt. Aber in relativ kurzer Zeit haben wir uns ins Internet-Zeitalter katapultie­rt, mit einer Beschleuni­gung, die es so noch nicht gab in der Geschichte der Menschheit.“Wir seien nun überall und zu jedem Zeitpunkt erreichbar – auch für alles Überflüssi­ge wie SpamMails, Shitstorms und Mobbing im Netz. Das alles ist sehr anstrengen­d, dafür sind wir psychisch noch nicht gut gerüstet.

Sie selbst entspannt sich privat am liebsten mit ihrer großen Liebe, dem niederländ­ischen Designer und Schriftenk­ünstler René Verkaart. Festes Ritual ist dabei unter anderem samstags der Einkauf auf dem Kolping- oder Carlsmarkt. „Unser absoluter Erholungso­rt ist allerdings der Rhein, fast direkt vor der Haustür,“schwärmt sie, „denn wir sind beide richtige Wassermens­chen“.

„Menschen in Krisen brauchen Hilfe. Aber nicht jede Krise braucht eine Therapie.“

Gabriele Birnstein Psychologi­n

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