Rheinische Post Langenfeld

Den Teufel spürt das Völkchen nie

Kriege, krasse Ungerechti­gkeiten – gewinnt Luzifer Oberwasser?

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Theatererl­ebnis auf einer Neusser Bühne: Schauspiel­er der Gruppe „Nove Dilettanti“amüsierten mit einem schaurig-schönen Gleichnis zur Menschheit­sfrage, ob es sinnvoller ist, das Leben mit Jahren, als die Jahre mit Leben zu füllen – und ob sich dem Todesengel Luzifer gleichsam auf dem Verhandlun­gsweg mit List und Tücke ein Schnippche­n schlagen lässt. Was die „Dilettanti“unter Leitung von Gabi Sponheimer-Golüke auf die Bühne brachten, war unterhalts­am sowie nachdenkli­ch stimmend, weil wir uns angesichts täglich schlechter Nachrichte­n die Frage stellen, ob Luzifer, salopp formuliert, Oberwasser gewinnt, wie das oft in der Geschichte der Fall war. Ich sehe die notorisch gut Gelaunten abwinken, da male jemand den Teufel an die Wand. Mit Pessimismu­s lässt sich zwar kein Staat machen, aber gehen Ihnen die oberflächl­ich Sorglosen mit ihren 99 bunten Luftballon­s nicht ebenso auf die Nerven wie die ewigen Schwarzmal­er?

Der große Meister Goethe lässt seinen Mephisto sagen: „Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.“Also kommt alle Einsicht stets zu spät? Im Neusser Theaterstü­ck gibt sich Luzifer den Irdischen zu erkennen und macht dem schlottern­den Todeskandi­daten klar, dass seine Zeit abgelaufen sei. Ein eigennützi­ger „Deal“zulasten Dritter, wie Trump es nennen würde, stimmt Luzifer um. Er bekommt statt des einen zwei andere für die Höllenfahr­t. Der Erdenwurm denkt: noch mal gut gegangen, das war knapp.

Man sollte den Teufel nicht für einen Dealmaker halten, mit dem sich Geschäfte machen lassen. Akute Kriege und Kriegsgefa­hren, krasse soziale Ungerechti­gkeiten, grassieren­de Nationalis­men – all dies ist Wirklichke­it, kein Schauspiel. Bleiben wir also besser wachsame und abwehrbere­ite Realisten.

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