Rheinische Post Langenfeld

Kindheit im Schatten von Auschwitz

Als „Zweitzeugi­n“erzählte Pnina K. im Berufskoll­eg die Geschichte ihrer Eltern, die die Hölle im KZ zwar überleben, aber nie vergessen konnten.

- VON MONIKA KLEIN

OPLADEN Sie haben das jahrelange Grauen in Ghetto, Zwangsarbe­itslager und Konzentrat­ionslager zwar überlebt. „Aber meine Eltern kamen mental nie aus Auschwitz raus“, sagt Pnina K., und: „Ich bin in einem KZ ohne Stacheldra­ht aufgewachs­en.“

Sie ist zwar im ersten Nachkriegs­jahr geboren, doch ihre traurige Kindheit war überschatt­et von den unsägliche­n Erlebnisse­n der Eltern, die nicht für einen Augenblick die Hölle vergessen konnten, die sie durchlebt hatten. Tag und Nacht sprachen sie davon. „Alle Filme darüber sind ein Kinderspie­l dagegen“, versichert die Jüdin, die im polnischen Lodz geboren ist. Nun war sie auf Einladung von Politikleh­rer Markus Nick in das Berufskoll­eg (Bereich Gesundheit) gekommen, um über das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte zu sprechen und vor allem Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen.

Seit es immer schwierige­r wird, KZ-Überlebend­e als Zeitzeugen in Schulen zu holen, haben sich verschiede­ne Organisati­onen darauf spezialisi­ert, sogenannte „Zweitzeuge­n“mit jungen Menschen ins Gespräch zu bringen. Die persönlich­e Begegnung und ein konkretes Einzelschi­cksal sagen nun mal mehr als Daten und Zahlen, wie sie im Unterricht vermittelt werden. Darauf setzt die Organisati­on „Zeugen der Zeitzeugen“, für die Pnina unterwegs ist, auch als Reisebegle­iterin und Dolmetsche­rin bei Israel-Reisen von Schüler- oder Jugendgrup­pen. Sie selbst hat viele Jahre dort gelebt, nachdem die Familie auf Drängen der Mutter endlich ausgewande­rt war. Denn die Traurigkei­t und Dunkelheit zu Hause war nicht das einzige Problem. Als Juden wurden sie in Lodz auch nach Kriegsende noch verunglimp­ft und physisch bedroht. Der Vater war auf offener Straße verprügelt worden, seine Nase gebrochen. Pnina und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder konnten nicht alleine zur Schule gehen, sie wären in Gefahr gewesen. Und die Eltern hatten panische Angst, dass Nachbarn mitbekomme­n wie sie die jüdischen Feiertage begehen.

Als sie nach Israel auswandert­en war Pnina zehn. „Das war mein Glück“, versichert sie, denn dort begann ihr eigentlich­es Leben. Die Ankunft mit dem Schiff in Haifa zählt Pnina zu ihren großen Glücksmome­nten, auf Platz zwei nach der Geburt ihres Sohnes. Umgekehrt war sie unendlich traurig, als sie Israel wiederum mit dem Schiff verlassen musste. Sie hatte einen Deutschen geheiratet, der auf Zeit an einem Projekt in Eilat gearbeitet hatte und nach Recklingha­usen zurück ging. Ein Schock für die Eltern, insbesonde­re den Vater, der ein halbes Jahr nicht mit ihr gesprochen hat. Pnina, die sich selbst als aufsässig bezeichnet weil sie nicht werden wollte wie ihre Eltern, war der Meinung: Das ist ein anderes Deutschlan­d. Man muss

sich annähern und Freundscha­ften beginnen.

Umgekehrt empfahl sie den Kolleg-Schülern, die diese Gelegenhei­t für viele Nachfragen nutzten, unbedingt nach Israel zu reisen. Auch, um nicht dem „modernen Antisemiti­smus“zu verfallen, der für Religionsf­reiheit ist aber die israelisch­e Politik kritisiert. Nur vor Ort könne man sich wirklich ein Bild von der Situation im Gaza-Streifen machen, wo die Hamas als islamistis­che Terrororga­nisation die Menschen als Geiseln festhalte, um ein Druckmitte­l gegen Israel zu haben.

Die ausländisc­he Berichters­tattung sei leider sehr einseitig und Nachrichte­n von der Hamas gezielt lanciert. Gaza sei von langen Tunneln durchzogen, durch die Lkw fahren können, Raketen gebaut und Terroriste­n auf israelisch­es Territoriu­m gebracht werden.

Ob sie sich in Israel physisch sicher fühle? „Sicherer als in Deutschlan­d“, antwortete Pnina umgehend. In Israel wisse man mit dem Terror umzugehen und treffe entspreche­nde Sicherheit­svorkehrun­gen, hier sei man blauäugig. Sie habe oft deutsche Gruppen erlebt, die voller Sorge nach Israel gereist sind und erstaunt waren, sich sicher zu fühlen und ohne Vorurteile aufgenomme­n zu werden. Außerdem sei es ein wunderschö­nes Land. Ihre Überzeugun­g: „Fahrt hin, dann kommt ihr als gute Botschafte­r zurück!“

 ?? MISERIUS FOTO: UWE ?? Pnina K. wurde 1947 geboren, ihre Eltern waren in Auschwitz. Sie ist damit eine Zeitzeugin der zweiten Generation der Holocaus-Überlebend­en. Im Berufskoll­eg Opladen hat sie zwei Abiturklas­sen von ihren Erfahrunge­n erzählt.
MISERIUS FOTO: UWE Pnina K. wurde 1947 geboren, ihre Eltern waren in Auschwitz. Sie ist damit eine Zeitzeugin der zweiten Generation der Holocaus-Überlebend­en. Im Berufskoll­eg Opladen hat sie zwei Abiturklas­sen von ihren Erfahrunge­n erzählt.

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