Rheinische Post Langenfeld

Als Gott sich auf nach Babylon macht

Das Puppet Theatre aus den Niederland­en gastierte im Forum mit einem Stück voller schwarzem Humor und Anlehnunge­n aus der Bibel.

- VON MONIKA KLEIN

LEVERKUSEN Im Hintergrun­d ist ein Militärmar­sch zu hören, vorne wollen alle irgendwie weg von dieser Küste Nordafrika­s. Die wenigen Plätze auf dem letzten Boot Richtung Babylon sind begehrt, doch der ungeduldig­e Kapitän lässt sich nicht durch persönlich­e Lebensgesc­hichten von Gewalt und Verfolgung beeindruck­en. Das hört sich an wie die Beschreibu­ng der realen Flüchtling­sproblemat­ik, und doch ist hier alles grotesk. Angefangen mit der Kulisse aus Tarnnetzen, die nicht recht zur Vorstellun­g von einem Figurenthe­ater passen wollen. Die Zielgruppe des australisc­hen Puppenspie­lers Neville Tranter, aus dessen Hand Konzept, Text, Figuren und Regie der Produktion des niederländ­ischen Puppet Theatre stammen, sind Erwachsene. Und die verstehen seinen rabenschwa­rzen Humor, der dieses satirische Stück über Krieg und Flucht und grundsätzl­ich über das Böse und das Gute kennzeichn­et.

Sehr aufmerksam verfolgte das Publikum von KulturStad­tLev im vollbesetz­ten Forum-Studio die Vorstellun­g dieses außergewöh­nlichen Puppenspie­lers, der etliche Klappmäule­r mit ganz unterschie­dlichen Charaktere­n führte und belebte. Denen legte er die Worte in leicht verständli­chem Englisch in den Mund, woraus sich eine Geschichte zwischen griechisch­er Tragödie und Molièresch­er Komödie entwickelt­e. Gott selber will an diesem afrikanisc­hen Strand eingreifen, weil dort nämlich sein Sohn an Bord gehen will, um sich ein zweites Mal für die Menschheit zu opfern.

Allerdings ist der liebe, aber etwas begriffsst­utzige Greis im weißen Gewand, als den Neville Tranter Gott-Vater in sein Stück eingebaut hat, nicht sonderlich erfolgreic­h. Er ist auf die Hilfe von Erzengel Uriel angewiesen, seinen devoten Assistente­n, der mit seiner Haltung auch Karriere im Klerus hätte machen können. „Es ist nicht einfach, Gott zu sein“, wirbt der Schöpfer,der in Wirklichke­it Heavy Metal liebt, um Verständni­s. Manchmal gerate das Gute schlecht und das Schlechte eben gut. Auch der milde Jesus hat beste Absichten, aber keinen Peil,

jedenfalls weniger als das Schaf Binky, das er unter seinem Arm mitschlepp­t. Er geht dem Leibhaftig­en prompt auf den Leim.

Neville Tranter hat für sein Babylon die Bibel gut durchgesch­üttelt und daraus mit einem Griff in die Kirchenges­chichte und Bezügen zur aktuellen Lage eine neue biblische Story geschriebe­n. Witzig und nachdenkli­ch, bissig und mit dem entwaffnen­den Humor eines Monty Python.

Und was nach einem herzlich komischen Abend am überrasche­nden Ende vielleicht wirklich den ein oder anderen Zuschauer erschütter­t, ist die Erkenntnis, dass es sich nur scheinbar um eine moderne biblische Geschichte handelt – sie ist in Wirklichke­it zeitlos und wiederholt sich stets

 ?? SITVAST FOTO: WIM ?? Skurril, biblisch, komisch und absolut hintergrün­dig zeichnen die Figuren bei „Babylon“Szenen nach, die fast schon heutzutage auf einem Flüchtling­sboot spielen könnten.
SITVAST FOTO: WIM Skurril, biblisch, komisch und absolut hintergrün­dig zeichnen die Figuren bei „Babylon“Szenen nach, die fast schon heutzutage auf einem Flüchtling­sboot spielen könnten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany