Rheinische Post Langenfeld

Richter spricht Angeklagte­n frei

Gefährlich­e Körperverl­etzung vor dem Langenfeld­er Amtsgerich­t. Keine unbeteilig­ten Zeugen.

- VON ANGELIKA MELCHER

LANGENFELD Angespannt ist am Donnerstag die Atmosphäre im Saal des Langenfeld­er Amtsgerich­ts. Nur die junge Freundin des Angeklagte­n sitzt mit dem gemeinsame­n Baby auf der Zuschauerb­ank und zittert nervös dem Urteil des Richters entgegen. Ihr Freund ist wegen gefährlich­er Körperverl­etzung angeklagt. Laut Staatsanwa­ltschaft soll er im Juli einen seiner Nachbarn schwer körperlich misshandel­t haben. Und das direkt vor der gemeinsame­n Haustüre in Hilden.

Der 27-jährige Angeklagte hat nach eigenen Angaben zwei kleine Kinder und ist arbeitslos, er bemühe sich jedoch um einen Job. Die ihm vorgeworfe­ne Tat habe er nicht begangen. „Ich war an diesem Abend nicht da und kann nichts dazu sagen.“Der Nachbar wiederum behauptete, dass er an besagtem Abend zu einem Bekannten gehen wollte und an der Tür von dem Angeklagte­n und einem ihm unbekannte­n Mann abgefangen wurde. Dort hätten sie ihn nach einem Streit mit einem Stuhl und einer Flasche gegen den Kopf geschlagen und auf ihn eingetrete­n. Der Hildener musste später am Kinn genäht werden, hieß es im Gerichtssa­al. Begleitend zu seiner Aussage hatte der Mann mittleren Alters einen Brief dabei. Als der Richter ihn dazu auffordert, den Inhalt selbst kurz zusammenzu­fassen, wird das vermeintli­che Opfer dem Richter gegenüber laut und herablasse­nd. Dieser ist über den Tonfall sichtlich aufgebrach­t und unterbrich­t die Vernehmung mit den Worten „Wir sind hier nicht bei Barbara Salesch“. Der zur Zeugenauss­age geladene Mann solle sich erst einmal beruhigen – doch der stürmt wütend aus dem Saal und wirft dem Richter seinen Brief auf den Tisch.

Als weitere Zeugin wird eine Nachbarin vernommen. Sie habe in jener Nacht lautes Gestöhne gehört, konnte jedoch aufgrund der Dunkelheit niemanden erkennen. „Ich kenne den Angeklagte­n und seine Familie. Das sind ganz nette Leute“, sagt die 68-Jährige. Auch eine zweite Nachbarin hatte damals Lärm gehört, jedoch nicht den Angeklagte­n am Tatort gesehen.

Somit fehlen unbeteilig­te Zeugen, die die Anwesenhei­t und Beteiligun­g des 27-Jährigen bestätigen können. Was außerdem auffällt: die Strafanzei­ge und die spätere Vernehmung des vermeintli­chen Opfers haben denselben Wortlaut. Es wirkt auf den Richter, wie auswendig gelernt. Das alles sowie der Zweifel an dieser Aussage führen dazu, dass der Richter den Angeklagte­n nicht verurteilt. Der nimmt wie seine Freundin den Freispruch erleichter­t auf.

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