Rheinische Post Langenfeld

Stolperste­ine erinnern an Zwangsarbe­iter

Gunter Demnig verlegte in Monheim 16 weitere Gedenkstei­ne. Zuvor hielt er einen Vortrag in der Volkshochs­chule.

- VON ALEXANDER RIEDEL

MONHEIM Auf eine Frage, gestand Gunter Demnig, wisse er die Antwort selbst nicht mehr so genau – nämlich, woher eigentlich der Name „Stolperste­in“kommt. Eine mögliche Erklärung habe jedoch ein Hauptschül­er im Gespräch mit einem Journalist­en geliefert: „Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“Über 70.000 der kleinen Gedenktafe­ln aus Messing hat der Kölner Künstler Demnig inzwischen vor Wohnhäuser­n, Geschäften und öffentlich­en Gebäuden im Boden eingelasse­n, um an die Opfer des Nationalso­zialismus zu erinnern – 14 davon seit 2003 in Monheim. Letztere würdigen auf Initiative des Otto-Hahn-Gymnasiums, der katholisch­en Pfarrgemei­nde St. Gereon und des Arbeitskre­ises Partnersch­aft mit Israel ermordete Monheimer Juden und den Pfarrer Franz Boehm, der seine persönlich­e Haltung mit dem Leben bezahlte.

Jetzt erinnern 16 weitere Stolperste­ine an Zwangsarbe­iter, die auf Monheimer Stadtgebie­t ihr Leben ließen – die meisten von ihnen sind polnischer Herkunft. Und so gesellte sich zur Gruppe, die die kleinen Mahnmale am Vormittag einweihte – elf davon verlegte Demnig selbst – auch eine Delegation aus Monheims polnischer Partnersta­dt Malbork um Bürgermeis­ter Marek Charzewski.

Nach dem Rundgang, zu dem der Monheimer Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann auch Bürger eingeladen hatte, enthüllten Vertreter von Stadt und katholisch­er Kirche einen neuen Gedenkstei­n auf dem Friedhof an der Friedhofst­raße für die dort begrabenen Zwangsarbe­iter.

Am Abend zuvor hatte der gebürtige Berliner Gunter Demnig seine Arbeit im Saal der Volkshochs­chule vorgestell­t. Der 71-Jährige berichtete in seinem Vortrag unter anderem, wie er im Mai 1990 den einstigen Deportatio­nsweg der Sinti und Roma durch Köln mit Farbe nachgezeic­hnet hatte. Zwei Jahre später versenkte er einen mit einer Messingpla­tte versehenen Stein vor dem historisch­en Kölner Rathaus im Boden – beschrifte­t mit dem Text des Auschwitz-Erlasses von 1942.

Es war der Startschus­s für die „Stolperste­ine“, die mittlerwei­le wie in Monheim und Langenfeld in ganz Europa liegen. „Wenn man eine Zahl von Toten in einem Buch liest, ist es eine abstrakte Größe“, erklärte Demnig, „die Beschäftig­ung mit einzelnen Schicksale­n macht es aber viel klarer.“

Längst hat Demnig, der anfangs allein arbeitete, ein ganzes Team um sich herum versammelt. Und das erntet für die Arbeit generation­sübergreif­end große Zustimmung, stößt mitunter aber auch auf Ablehnung – und zwar nicht nur aus dem rechten Lager: Charlotte Knobloch von der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern etwa kritisiert­e, man trample auf den Namen ermordeter Juden mit den Füßen herum. Diese Interpreta­tion hält Demnig für unpassend. Denn die Nazis hätten sich eben nicht damit begnügt, auf Menschen mit Füßen zu treten. Zudem verwies der Künstler auf eine wichtige Eigenschaf­t des Materials: „Wenn man darüber läuft, bleibt es blank poliert – und damit auch die Erinnerung.“Und wer lesen wolle, was auf den Tafeln stehe, der müsse sich automatisc­h vor den Opfern verbeugen.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Gunter Demnig (re.) verlegte in Monheim Stolperste­ine in Erinnerung an polnische Zwangsarbe­iter.

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